So bejubelt wie kritisiert wurde 1984 Stirlings Neubau der Staatsgalerie. Den 40. Geburtstag feiert das Haus am 22. März so wild, wie’s in den 80ern üblich war – und wird von der Nachfrage nach Karten überrannt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Im Frühjahr 1984 herrscht kulturelle Aufbruchstimmung in Stuttgart. 4000 geladene Gäste feiern am 9. März 1984 die Neue Staatsgalerie des schottischen Star-Architekten James Stirling – den Triumph eines neuen Museumstyps. „Es ist bemerkenswert“, erklärte damals der Kunstsammler und „Stern“-Verleger Henri Nannen auf der großen Party, „dass eine konservative Regierung so weltoffen ist, ein solch bedeutendes Bauwerk zu ermöglichen.“ Ministerpräsident Lothar Späth freut sich darüber wie Bolle.

 

Auch der Künstler Joseph Beuys ist angereist, um den Erweiterungsbau der Staatsgalerie zu feiern, und poltert: Für Stuttgart und den gesamten süddeutschen Raum habe dieses „Gebilde therapeutischen Charakter“.

Eine Therapie mit Farbwucht: Das grelle Grün des Gumminoppen-Fußbodens drinnen und die bunten Röhren draußen werden von den einen als „penetrant“ abgelehnt, von den anderen als „provokante und selbstbewusste Gegenkraft der Kunst“ angepriesen. Das 90 Millionen D-Mark teure Flaggschiff der Postmoderne entwickelt sich jedenfalls in den Anfangsjahren zu einem rekordverdächtigen Publikumsmagneten.

Vier Jahrzehnte ist das nun schon her. Zum runden Geburtstag, an dem Schwaben angeblich g’scheit werden, wollen die Staatsgaleristen etwas ganz Besonderes anbieten. Dies scheint ihnen gelungen zu sein. Die Nachfrage nach den Karten ist gewaltig und übersteigt alle Erwartungen.

DJs aus der Boa und dem Roxy legen auf

Am Freitag, 22. März, 19 bis 3 Uhr, wird ganz groß im Stil der 80er gefeiert. Zum Eintrittspreis von 15,50 Euro gibt es im Erdgeschoss nicht nur die Musik der legendären DJs Jens Herzberg und Steffen Eifert, die in den 80ern das Roxy und die Boa prägten – man kann bis in die frühen Morgenstunden auch die Ausstellungen darüber sowie im Altbau besichtigen.

Nachts im Museum – das übt schon immer eine Faszination aus. Die Staatsgalerie wird viel Aufsichtspersonal aufwenden – aber die hohen Kosten dafür gern in Kauf nehmen, weil es darum geht, die Stadt mit einem unvergesslichen Event 40 Jahre nach der Eröffnung eines kulturellen Meilensteins zu beglücken.

Der Medienkünstler Christian Herbstreuth wird in dieser Nacht Videokunst der 80er performen. Besondere Gimmicks sind Siebdrucke, die man sich auf Taschen oder T-Shirts mit legendären Motiven der 80er in Stuttgart – etwa mit den Logos der Lerche und des Radiohauses Barth – anfertigen lassen kann. Auf dem Flyer für die Feier zum 40. Geburtstag sieht man Aerobic-Frauen mit Bällen, die im Sportdress der 80er trainieren. In dieser Nacht wird außerdem die Ausstellung „The Gällery“ der Wüstenrot-Stiftung eröffnet.

James Stirling ist 1992 gestorben, Joseph Beuys bereits 1986. Ihre Anhänger lassen sie nun hochleben – und feiern die 80er Jahre, also ein Jahrzehnt, das Menschen, die heute im „besten Alter“ sind, ganz entscheidend geprägt hat.

Die 80er Jahre, das waren der Mauerfall, die Barschel-Affäre, die Hitler-Tagebücher, die Menschenkette für Abrüstung. Der Stuttgarter Peter Schilling sang „Major Tom“ völlig losgelöst, der VfB Stuttgart wurde 1984 Deutscher Meister. Am 14. Juni 1989 konnte beim Besuch des russischen Präsidenten Michail Gorbatschow in Stuttgart der Verlust eines Feindbildes gemeldet werden. Dies hielt leider nicht bis Putin an. Ach, so manches aus den 80ern verlangt nach einer Wiederholung!

„Komm in zerfetzten Jeans und mit wilder Föhnfrisur“

Die Staatsgalerie ruft dazu auf, in zerfetzten Jeans zu kommen, die knalligen Aerobic-Klamotten aus den Schränken zu holen, alles mit der wilden Föhnfrisur samt Neonstirnband zu kombinieren. Schweiß- und Neonarmband gibt’s an der Abendkasse.

Bereits 1000 Karten sind verkauft. Wer dabei sein will, muss also schnell sein. Karten für die 80er-Party gibt es im Netz unter dieser Adresse.

Die Eintrittspreise betragen 13,50 Euro Early Bird, 15,50 Euro regulär zuzüglich Vorverkaufsgebühr, 17 Euro an der Abendkasse. Für Mitglieder der Jungen Freunde der Staatsgalerie ist der Eintritt frei.