Straffällige Flüchtlinge sollen gehen Kretschmann wechselt Tonlage

Der Kölner Silvesterabend lässt den baden-württembergischen Ministerpräsidenten nicht unbeeindruckt. Für straffällige Flüchtlinge gebe es keine Zukunft in Deutschland, sagt der Grüne Winfried Kretschmann.
Stuttgart - Von einer „Zeitenwende“ wie der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf mochte Winfried Kretschmann nicht sprechen. Für „Panik und Weltuntergangsstimmung“ gebe es keinen Grund, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident nach der Kabinettssitzung am Dienstag. Aber der Kölner Silvesterabend hat offenkundig auch Kretschmanns Blick auf die Flüchtlingspolitik verändert. „Widerwärtig und unerträglich“ nannte er die Tätlichkeiten des zu einem wesentlichen Teil ausländisch geprägten Mobs. „Wir können das nicht als kulturelles Missverständnis oder als Entgleisung abtun“, sagte der Ministerpräsident. Ein Befund, aus dem er folgerte: „Wer straffällig geworden ist, hat sein Bleiberecht verwirkt.“ Soweit gesetzliche Änderungen nötig seien, werde sich die Landesregierung diesem Ansinnen nicht verschließen. Ausdrücklich begrüßte Kretschmann den Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zur Erleichterung von Ausweisungen. „Wichtig ist, dass das Recht durchgesetzt wird.“
Flächendeckende Videoüberwachung
Deshalb will Kretschmann im unmittelbar eigenen Einflussbereich einige Korrekturen anbringen. Künftig sollen Flüchtlinge getrennt untergebracht werden, sofern deren unterschiedliche Herkunft Anlass zu Konflikten gibt. Bisher hatte Kretschmann aus pädagogischen Gründen eine Separierung nach Ethnien abgelehnt, gehört doch das sich Einfügen in eine plurale Gesellschaft zu den Grundbedingungen für eine erfolgreiche Integration. „Wir wollen keine Trennung nach Ethnien, müssen von diesem Grundsatz im Einzelfall aber absehen“, sagte der Ministerpräsident. Und so werden auch alleinreisende Männer künftig strikt von alleinstehenden Frauen getrennt.
Kretschmann sprach sich dafür aus, die Asylanträge von Flüchtlingen aus Nordafrika vorrangig zu behandeln. Es sei „augenscheinlich“, dass aus dem Maghreb problematische Gruppen nach Deutschland kämen, die nur eine geringe Bleibeperspektive hätten. Sie sollen möglichst schnell wieder außer Landes geschafft werden. Schließlich versprach Kretschmann eine „flächendeckende Videoüberwachung“ der Flüchtlingsheime. Das dient auch dem Schutz der Asylbewerber vor rechtsextremistischen Straftätern.
Opposition hält neues Stöckchen hoch
Eine Generalrevision der Flüchtlingspolitik hat der Ministerpräsident aber nicht im Blick. Nachfragen, ob die Grenzen weiterhin offen bleiben sollten, beantwortete er am Dienstag stereotyp mit dem Hinweis, Flüchtlinge mit Bleiberecht erhielten auch weiterhin Schutz, Flüchtlinge ohne Bleiberecht würden zurückgeführt.
CDU-Spitzenkandidat Wolf kritisierte, Kretschmann gebe acht Wochen vor der Landtagswahl den Hardliner. „Er fordert jetzt etwas, das er jahrelang verhindert hat.“ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der Landesregierung vor, nur auf öffentlichen Druck hin Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zu ergreifen. Er erwarte mit Spannung, wie sich Kretschmann zu Forderungen nach der Wiedereinführung der Residenzpflicht für Flüchtlinge und die Anerkennung von nordafrikanischen Staaten als sichere Herkunftsländer positioniere, sagte Rülke. In solche Länder können Flüchtlinge leichter zurückgeschickt werden. Kretschmann hält die Bedeutung dieser Regelung aber für überschätzt. Dennoch akzeptierte er bereits zweimal die Ausweitung der Zahl der sicheren Herkunftsländer – alle auf dem Balkan.
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