Der Gemeinderat lehnt den Ursprungsantrag von Jugendgemeinderat und Jungen Gerlingern ab. Ein Kompromiss ist aber in Sicht. Der Knackpunkt ist, wie auf den Einfluss der Nationalsozialisten bei der Straßennamen-Benennung hingewiesen wird.

Gerlingen - Die Debatte hat gedauert. Sie war von Rücksicht und Anerkennung der jeweils anderen Seite geprägt. Aber sie hat ein eindeutiges Ergebnis: Der Gerlinger Gemeinderat lehnte am Mittwochabend den Antrag der Jungen Gerlinger und des Jugendgemeinderates ab – sie wollten, dass die Namen von vier Straßen, die nach umstrittenen Kämpfern des Ersten Weltkriegs benannt sind, mit erklärenden Zusatzschildern versehen werden. Darin sollte der Einfluss der Nazis deutlich werden. Streitpunkte waren die vorgeschlagenen Formulierungen „Straße 1937 von den Nationalsozialisten so benannt“ sowie „Sein Name wurde zur Kriegsvorbereitung instrumentalisiert“.

 

In einer Vorberatung des Jugendgemeinderats im Februar hatte die Verwaltung einen Gegenvorschlag eingebracht: In der dritten Zeile der Erklärungsschilder für die Richthofen-, Immelmann-, Otto-Weddigen- und Boelckestraße sollte es lediglich heißen „Straße 1937 benannt“, die vierte Zeile sollte wegfallen. Dies aber lehnten Jugendgemeinderat und Junge Gerlinger ab – ebenso wie den Vorschlag des Bürgermeisters Georg Brenner, über die dritte und vierte Zeile einzeln abzustimmen. Die Antragsteller verlangten eine Abstimmung en bloc. Weil aber außer den Jungen Gerlingern und den Grünen keine Fraktion dafür war, zeichnete sich ihre Niederlage ab.

Anreiz zum Scannen des QR-Codes

Dies blieb auch im Gemeinderat so, nachdem alle Seiten ihre Argumente nochmals dargelegt hatten. Für den Jugendgemeinderat betonte Steffen Laicher, mit der Formulierung „von den Nationalsozialisten so benannt“ wolle man „einen Anreiz setzen für alle Bürger und junge Leute“, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und per QR-Code den Text aus dem Internet abzurufen, auf den man sich geeinigt hatte. „Der Vorschlag der Verwaltung schafft diesen Anreiz nicht“, so Laicher. Judith Stürmer (Junge Gerlinger) hielt fest, „es ist der Wunsch da, zu einem Ergebnis zu kommen“. Demokratie bedeute, Kompromisse zu schließen.

Man wolle die Zusatzschilder, so der Bürgermeister Georg Brenner, man wolle den QR-Code, sei sich aber wegen der dritten und vierten Zeile uneins. Es gehe „nur noch um den letzten Schritt“. Ein negatives Ergebnis einer „Alles-oder-nichts-Entscheidung“ würde er sehr bedauern. Die Jungen Gerlinger schlugen vor, erst über ihren kompletten Antrag abzustimmen. Werde dieser abgelehnt, würden die Antragsteller auf „von den Nationalsozialisten“ in der dritten Zeile verzichten – wenn die vierte Zeile dafür stehen bleibe.

Zeit zur Diskussion des Kompromisses

Christian Haag (CDU) dankte, wie die Vertreter der anderen Fraktionen, sehr für das Engagement der jungen Leute. „Ich hätte vor 30 Jahren genauso argumentiert“, sagte er und betonte, man wolle einen gemeinsamen Weg zur Mehrheit. „Von unserer Fraktion hat keiner Angst vor dem Wort Nationalsozialisten.“ Es gebe aber genug Leute, die überdrüssig seien, „ständig darauf angesprochen zu werden“. Über den Kompromissvorschlag wolle seine Fraktion beraten und beantrage Vertagung. Rolf Schneider (Grüne) betonte, das Weglassen des Wortes „Nationalsozialisten“ könne „durch nichts begründet werden“. Es gebe keinen Grund, „die Welt von vorgestern schöner zu machen als sie war“. Seine Grünen-Kollegin Ulrike Stegmaier sagte, Geschichte werde durch den Antrag lebendig. Frank Moll (SPD) meinte, das Wort „Nationalsozialisten“ sei nicht ausschlaggebend, viele Gerlinger interessiere die Geschichte der Straßennamen nicht.

Die Abstimmung ging acht zu zwölf aus: Junge Gerlinger und Grüne sowie zwei Freie Wähler waren für den Antrag; CDU, FDP, SPD, ein anderer Freier Wähler und der Bürgermeister dagegen. Über den Kompromiss wird später beraten.

Damit seien Jugendgemeinderat und Junge Gerlinger zufrieden, meinte Steffen Laicher. „Das Reizwort ist weg, die Leute werden aber trotzdem angesprochen.“