Strategien gegen Fachkräftemangel Praxis und Qualifikation zählen
Ausländische Fachkräfte lockt nicht nur der deutsche Pass. Sie müssen auch schnell arbeiten dürfen, sagt Simon Koenigsdorff.
Ausländische Fachkräfte lockt nicht nur der deutsche Pass. Sie müssen auch schnell arbeiten dürfen, sagt Simon Koenigsdorff.
Der Mangel an Fachkräften in Handwerk, Gesundheit, Gastronomie und IT hierzulande ist dramatisch. Deutschland ist daher mehr und mehr auf Zuwanderung angewiesen. Eine Gesellschaft, die immer älter wird und der jetzt schon Fachkräfte fehlen, braucht Menschen, die hier eine langfristige Zukunft suchen. Zumal sich die Lage weiter verschärfen wird.
Deshalb ist es gut, dass die Regierung sich beim Fachkräftegipfel neue Vorhaben ins Hausaufgabenheft geschrieben hat. Die gewichtigste Neuigkeit betrifft jene, die aus dem Ausland angeworben werden sollen. Künftig sollen Einwanderer die deutsche Staatsbürgerschaft bereits nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren erhalten können. Bei besonderer Integrationsleistung sogar nach drei Jahren.
Die schnellere Aussicht auf einen deutschen Pass mag dabei helfen, Deutschland auf lange Sicht als Einwanderungsland attraktiver zu machen. Doch die Einbürgerung ist der letzte Schritt, nachdem sich Menschen hier erfolgreich eine Existenz aufgebaut haben. Vorher geht es darum, überhaupt erst einmal in Deutschland arbeiten zu können. Wer zu lange auf ein Visum warten muss oder wessen Qualifikation in Deutschland nicht anerkannt wird, zieht es in Länder, die mehr Chancen bieten. Dabei sollte es nicht nur auf den formalen Abschluss ankommen, sondern auch darauf, dass ein Arbeitgeber von den Fähigkeiten eines ausländischen Kandidaten überzeugt ist. Ein zu starres Festhalten an formaler Qualifikation, statt auch praktische Erfahrung zu berücksichtigen, zwingt Menschen in Jobs, für die sie in Wahrheit überqualifiziert sind. Zwar will die Bundesregierung die Anerkennung von Abschlüssen vereinfachen, doch einen konkreten Plan hat sie noch nicht vorgelegt. Immerhin soll nun mit einer Chancenkarte eine begrenzte Anzahl an Menschen, die Praxis vorweisen können, aber noch keinen anerkannten Abschluss haben, nach Deutschland kommen dürfen.
Gleichzeitig muss weiter um Fachkräfte im Inland geworben werden. Frauen sind noch immer seltener berufstätig als Männer und wenn, dann häufig nur in Teilzeit. Noch immer krankt es an der Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit. Auch wenn der Fachkräftemangel in manchen Branchen besonders dramatisch ist, werden anderswo Arbeitsplätze abgebaut. Es braucht also Wege, Menschen für die Bereiche umzuschulen oder auszubilden, in denen Bedarf besteht. Auch das nimmt sich die Regierung mit ihrer Fachkräftestrategie vor. Trotzdem wird es nicht ohne Fachkräfte aus dem Ausland gehen, die schnell und reibungslos in den Arbeitsmarkt integriert werden – und das kurzfristig. Denn Handwerk und Baugewerbe sind essenziell für die Energie- und die Wärmewende. Hier läuft die Zeit.