Mit der Europameisterschaft rückt Frankreich ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Angesichts von Streiks und Terrorangst geht es dabei nicht nur um Tore und EM-Titel.

Paris - Frankreich steht mit dem Beginn der Euro 2016 an diesem Freitag vor einem mehr als vierwöchigen Fußballfest. Von Lille im Norden des Landes bis nach Marseille an der Mittelmeerküste ist das Land Gastgeber für etwa 2,5 Millionen Besucher der 51 Begegnungen und unzählige Fans jenseits der Stadien. Doch angesichts latenter Terrorgefahr im von den Anschlägen 2015 schwer gezeichneten Land und andauernden Protesten um Reformen oder Tarifverträge geht es in den zehn Gastgeberstädten und dem Rest des Landes um mehr als Fußball.

 

Erwartungen - In jüngster Zeit war die Fußball-Europameisterschaft für viele Franzosen eher ein Randthema. Mit der Woche des Eröffnungsspiels an diesem Freitag zwischen Frankreich und Rumänien im Stade de France von Saint-Denis bei Paris ist das Fußball-Spektakel zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Die großen Themen der vergangenen Monate werden nun jeweils mit der Euro verbunden: Streiks behindern Fußball, Terrorwarnungen an den Stadien, Proteste werfen Schatten auf EM-Auftakt.

Streiks - Die untereinander konkurrierenden französischen Gewerkschaften gelten als überaus offen für Arbeitskämpfe. Proteste werden begleitet von einem Fahnenmeer der jeweiligen Organisation, Bengalos oder brennende Reifen sorgen für dramatische Bilder. Was die manche Franzosen als Alltag hinnehmen, bekommt zur EM internationale Beachtung. Seit Wochen wird bei der SNCF gegen neue Arbeitszeitregelungen gefochten, mit Protesten bei Air France soll auch der Flugverkehr bald betroffen sein. Die Streikaktionen fallen zusammen mit dem seit Monaten anhaltenden Protest gegen die Arbeitsmarktreform der französischen Regierung.

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Hooligans - 180 Polizisten aus den EM-Teilnehmerländern helfen den französischen Gastgebern beim Schutz vor Hooligans. Dafür wurde in Lognes östlich von Paris eigens ein internationales Koordinationszentrum eingerichtet. Mögliche Gewalttäter sollen erkannt und der Informationsaustausch mit ihren Heimatländern sichergestellt werden. Auch in den EM-Städten sind ausländischen Polizisten im Einsatz.

Aus Deutschland sind zunächst acht Beamte dabei, vier weitere kommen zum Spiel der deutschen Elf gegen Polen am 16. Juni in Saint-Denis. Das Spiel wird als Problemmatch gesehen. Auch die Begegnungen England gegen Russland (11. Juni, Marseille), Türkei gegen Kroatien (12. Juni, Paris), England gegen Wales (16. Juni, Lens) sowie Ukraine gegen Polen (21. Juni, Marseille) stehen unter besonderer Beobachtung.

Fußballschläger aus Deutschland haben traurige Geschichte in Frankreich geschrieben: der damalige Gendarm Daniel Nivel wurde 1998 von deutschen Hooligans lebensgefährlich verletzt. Der DFB hat den sehr zurückgezogen lebenden 61-Jährige zum ersten EM-Vorrundenspiel der deutschen Elf gegen die Ukraine am Sonntag nach Lille eingeladen.

Fanzonen - In den zehn Spielorten Paris, Saint-Denis, Lille, Lens, Bordeaux, Toulouse, Lyon, Saint-Etienne, Nizza und Marseille sind Fanzonen eingerichtet. In Paris können sich Fans dabei auf den Eiffelturm als Kulisse freuen. Die Fanzone für bis zu 90 000 Menschen ist direkt auf dem Marsfeld an dem berühmten Wahrzeichen eingerichtet.

Nur in den Fanzonen will die französische Regierung öffentliche Screenings erlauben. Kneipen etwa müssen ihre Geräte nach innen stellen. Menschentrauben vor den Bars sollen aus Sicherheitsgründen vermieden werden, weil sie nicht geschützt werden können. Allerdings gehören große Gruppen rauchender und trinkender Menschen vor Kneipen und Restaurants gerade im sommerlichen Frankreich zum Alltagsbild nicht nur größerer Städte.

Zeichen - Der Pariser Eiffelturm leuchtet während des Turniers jeden Abend in den Farben eines der 24 Teilnehmerländer. Welches Team auf das Wahrzeichen kommt, hängt von der Unterstützung in den sozialen Netzwerken Twitter, Facebook und Instagram ab. Die Mannschaft, deren Hashtag (etwa #FRA für Frankreich oder #GER für Deutschland) während eines Spieltages am häufigsten erwähnt wird, gewinnt: Die Farben sind gegen 22.55 Uhr auf dem Riesen zu sehen.

Alkohol - Mittags schon Alkohol? Zumindest in Form von Wein gilt das in Frankreich nicht als anstößig. Während der Euro aber gibt es ganz andere Einschränkungen. Im nordfranzösischen Lens etwa gilt an den Spieltagen ein Alkoholverbot in der Innenstadt. Verkauf, Konsum und Mitführen von Alkohol ist dort sowie auf den Besucherparkplätzen und in den Pendelbussen zum Stadion nicht erlaubt. In Restaurants und Bars sowie in der Fanmeile darf dagegen Alkohol getrunken werden.

Sicherheit - Frankreich war noch nie so gesichert: Rund 90 000 Militärs, Polizisten, Gendarmen, Zivilschützer oder Feuerwehrleute stehen auf den Einsatzlisten der Verantwortlichen. Darunter sorgen etwa 13 000 private Sicherheitsleute für Kontrollen an Stadien und Fanmeilen. Um die Stadien sind drei Sicherheitszonen errichtet worden. Für Besucher heißt das auch: viel Zeit für die Anreise einplanen. An den Stadien und Fanzonen stehen zudem schwer bewaffnete Spezialeinheiten bereit.

Terroranschläge - Nach den Attacken durch Einzeltäter oder Terrorkommandos, bei denen in Frankreich im vergangenen Jahr 149 Menschen getötet wurden, sind mögliche Anschläge während der EM ein Dauerthema. Französische Politiker sowie nationale und internationale Geheimdienste warnen in kurzen Abständen vor Anschlagsgefahr auf höchstem Niveau. Von konkreten Plänen war aber bisher nicht die Rede. In Frankreich herrscht seit den Attacken vom November ein Ausnahmezustand mit Sonderbefugnissen für die Sicherheitskräfte, der bis nach EM und Tour de France verlängert wurde.

Leere Stadien - EM-Cheforganisator Jacques Lambert schließt Spiele ohne Zuschauer wegen einer möglichen Terrorbedrohung nicht aus. „Wir sind alle Hypothesen durchgegangen und darunter müssen wir uns auch überlegen, Spiele hinter verschlossen Türen abzuhalten“, sagte der Franzose kurz vor beginn des Turniers. Lambert wies daraufhin, dass man für viele Szenarien Pläne habe. Diese beschränkten sich nicht nur auf die Sicherheitslage, sondern zum Beispiel auch auf Unwetter.

Cheffreie Zone - Der gesperrte Ex-UEFA-Chef Michel Platini will bei der Fußball-EM keine Spiele im Stadion besuchen. Platini vermeidet damit einen möglichen neuen Konflikt mit den FIFA-Ethikhütern, die ihm jede Fußball bezogene Aktivität untersagt haben. Dabei ist unklar, ob ein Stadionbesuch zu Ermittlungen führen würde. Platini ist wegen einer dubiosen Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken durch Ex-FIFA-Chef Joseph Blatter für vier Jahre gesperrt worden.

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