Den Verkehrsexperten Klaus Wößner haben wir gebeten, sich den Stresstest genauer anzusehen. Die Anmerkungen haben wir an das Landratsamt Calw weitergegeben. Auch wenn sich der Streit etwas fachlich liest, wollen wir ihn unseren Lesern nicht vorenthalten.

 

Klaus Wößner betreibt einen Bahn-Blog. factum/Granville These von Klaus Wößner:

Der Stresstest geht von einer „überschlagenen Wende“ der S-Bahnzüge in Weil der Stadt aus. Das bedeutet, dass die S-Bahn in Weil der Stadt nicht ankommt und sofort wieder zurück nach Stuttgart fährt – sondern: Die S-Bahn hat 36 Minuten Wartezeit und muss erst dann wieder nach Stuttgart fahren. Dies unterstellt der Stresstest, wird aber derzeit von der S-Bahn in den Morgenstunden nicht praktiziert. Damit geht der Stresstest von einer Voraussetzung aus, die nicht erfüllt ist.

Antwort von Andreas Knörle:

Die Grundlagen der Fahrplanrobustheitsprüfung wurden mit dem beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen, der DB Regio S-Bahn Stuttgart, abgestimmt. Die überschlagene Wende der S 6 zu unterstellen war expliziter Wunsch des S-Bahn Aufgabenträgers Verband Region Stuttgart, ebenso wie die Abbildung der zugehörigen Fahrten von und zur Abstellanlage. Diese Prämissen wurden im Vorfeld gemeinsam festgelegt.

These von Klaus Wößner:

Das Betriebskonzept der Hesse-Bahn ist nicht schlüssig. Wenn der S-Bahn tatsächlich absolute Vorfahrt gewährt wird, dann hat die Hesse-Bahn ein extrem hohes Störungsrisiko. Kommt die Hesse-Bahn dann in Weil der Stadt mit nur zwei bis drei Minuten Verspätung an, muss sie die S-Bahn vorlassen und kommt schließlich mit sechs Minuten Verspätung in Renningen an. Dort hätte sie ohne Verspätung acht Minuten für den erneuten Richtungswechsel, jetzt sind es aber nur noch zwei Minuten. Sie nimmt also mindestens drei Minuten Verspätung gleich wieder mit auf den Rückweg nach Calw. Damit wäre ein Verspätungsabbau völlig illusorisch.

Andreas Knörle ist Dezernent in Calw. factum/Bach Antwort von Andreas Knörle:

Wie am 1. Dezember 2017 bei der offiziellen Vorstellung des Ergebnisses der Fahrplanrobustheitsprüfung beim Verband Region Stuttgart dargelegt, ist der Vorrang der S-Bahn vor der Hermann-Hesse-Bahn als Prämisse in der Fahrplanrobustheitsprüfung hinterlegt. Es bleibt festzuhalten, dass dies in der Auswertung über 100 Betriebstage keine negative Wirkung auf die Hermann-Hesse-Bahn zeigt, da im Fahrplan Reserven vorhanden sind, die eine mögliche Verspätung verringern.

These von Klaus Wößner:

Das Betriebskonzept der Hesse-Bahn ist nicht schlüssig. Wenn der S-Bahn tatsächlich absolute Vorfahrt gewährt wird, dann hat die Hesse-Bahn ein extrem hohes Störungsrisiko. Kommt die Hesse-Bahn dann in Weil der Stadt mit nur zwei bis drei Minuten Verspätung an, muss sie die S-Bahn vorlassen und kommt schließlich mit sechs Minuten Verspätung in Renningen an. Dort hätte sie ohne Verspätung acht Minuten für den erneuten Richtungswechsel, jetzt sind es aber nur noch zwei Minuten. Sie nimmt also mindestens drei Minuten Verspätung gleich wieder mit auf den Rückweg nach Calw. Damit wäre ein Verspätungsabbau völlig illusorisch.

Andreas Knörle ist Dezernent in Calw. factum/Bach Antwort von Andreas Knörle:

Wie am 1. Dezember 2017 bei der offiziellen Vorstellung des Ergebnisses der Fahrplanrobustheitsprüfung beim Verband Region Stuttgart dargelegt, ist der Vorrang der S-Bahn vor der Hermann-Hesse-Bahn als Prämisse in der Fahrplanrobustheitsprüfung hinterlegt. Es bleibt festzuhalten, dass dies in der Auswertung über 100 Betriebstage keine negative Wirkung auf die Hermann-Hesse-Bahn zeigt, da im Fahrplan Reserven vorhanden sind, die eine mögliche Verspätung verringern.

These von Klaus Wößner:

Das Risiko für Verspätungen der Hesse-Bahn schätzen die Gutachter folglich als „hoch“ ein. Das betrifft auch den Bahnhof in Calw. Dort bräuchte der Zug zum Richtungswechsel fünf Minuten. Der Fahrplan räumt ihm nur fünf Minuten und zwölf Sekunden ein. Das heißt, jede Sekunde, die die Hesse-Bahn zu spät ankommt, fährt sie auch zu spät ab. So kann sie im Laufe des Tages in Calw keinerlei Verspätungen abbauen. Zudem kann die Hesse-Bahn den Fahrplan anscheinend nur einhalten, wenn ein ganz bestimmter Zugtyp, nämlich der „Regioshuttle RS1“ zur Verfügung steht. Mit alledem lässt sich wohl keine „wirtschaftlich optimale Betriebsqualität“ erreichen, wie es im Stresstest heißt.

Antwort von Andreas Knörle:

Ebenfalls wurde am 1. Dezember 2017 dargelegt, dass die Fahrplanreserven der Hermann-Hesse-Bahn in die Fahrtrichtung von Calw nach Renningen gelegt wurden. Damit findet dort der Verspätungsabbau statt, wie im Ergebnis abzulesen ist. Es wurde an keiner Stelle vom Gutachter das Verspätungsrisiko der Hermann-Hesse-Bahn als „hoch“ eingeschätzt. Das der Fahrplanrobustheitsprüfung zugrunde liegende Fahrzeug RS1 entspricht dem, das später eingesetzt werden soll. Es ist bei einer Fahrplanrobustheitsprüfung durchaus üblich, das Fahrzeug zu unterstellen, welches später zum Einsatz kommen soll. Auch dies wurde im Vorfeld mit den Beteiligten abgestimmt.

Die Experten:

Klaus Wößner betreibt den Blog „S-Bahn-Chaos“ und begleitet die Bahnprojekte in der Region Stuttgart fachlich und kritisch. Andreas Knörle ist als Verkehrsdezernent des Calwer Landratsamts verantwortlich für die Hesse-Bahn.