Das neue Gesetz zur Gleichstellung in Baden-Württemberg lässt auf sich warten. Die Koalition ist sich nicht einig, die Fraktionen untereinander auch nicht. Der Schwarze Peter ging lange hin und her. Jetzt drängt die Zeit.

Stuttgart - Wir wollen das Chancengleichheitsgesetz für den öffentlichen Dienst erheblich erweitern und konkretisieren“, versprechen Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag. Seither warten vor allem die Frauenverbände dringend auf das neue Gesetz. Jetzt wird die Zeit knapp. „Wenn der Gesetzentwurf nicht in spätestens zwei, drei Wochen ins Kabinett geht, wird es in dieser Legislatur nichts mehr mit dem Gesetz“, sagt ein Sprecher der Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD).

 

Dringend ist das Thema schon seit 2012. Gabriele Frenzer-Wolf, die Landes-Vize des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) erinnert sich, dass sie schon vor drei Jahren umfangreiche Stellungnahmen zur Gleichstellung abgegeben habe. Dringend sei es, habe das Sozialministerium erklärt.

Seither schieben die Parteien und Fraktionen den schwarzen Peter munter hin und her. Das Sozialministerium habe den Gesetzentwurf flüchtig erarbeitet, viele kleine Fehler seien nachzubessern, kritisieren die Grünen. Das SPD-Sozialministerium klagt, das grüne Staatsministerium halte den Gesetzentwurf unangemessen lange zurück.

Von Gewerkschaftsseite heißt es, besonders das Innenministerium (SPD) fremdele arg mit dem Gleichstellungsgesetz, und der Frauenrat mutmaßt, das Thema liege dem Ministerpräsidenten (Grüne) nicht sehr am Herzen. Innerhalb der Fraktionen von Grünen und SPD soll keineswegs Einigkeit geherrscht haben. Zwischen den Fraktionen auch nicht.

Gesetz soll vor der Wahl kommen

Andererseits will die Sozialministerin Katrin Altpeter das Gesetz unbedingt. Auch die Grünen pochen darauf. Führende Grüne mutmaßen, dass es der Ökopartei wohl mehr schaden würde als der SPD, wenn das Gesetz vor der Landtagswahl nicht mehr zustande kommen sollte.

Jetzt könnte sich etwas bewegen. „Der Gesetzentwurf ist fertig, er muss jetzt ins Kabinett“, lässt Altpeter ausrichten. Am liebsten wäre es der Ministerin, das Thema käme an diesem Dienstag auf die Tagesordnung des Ministerrats.

Die Streitpunkte gelten als weitgehend ausgeräumt. Ein zentraler Punkt ist nach Informationen der Stuttgarter Zeitung, dass die Stadt- und Landkreise sowie die Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einsetzen müssen, die nicht an Weisungen gebunden sind.

Die hauptamtliche Chancengleichheitsbeauftragte schmeckte den Kommunen gar nicht. Der Landesfrauenrat findet indes, „man ist sehr auf die Kommunen zugegangen“, Luisa Boos, die Sprecherin des Landesfrauenrats spricht gar von verwässerten Vorgaben. Frenzer-Wolf findet es einen Fortschritt, dass „endlich kommunale Gleichstellungsbeauftragte gesetzlich verankert werden“. Baden-Württemberg sei das einzige Bundesland ohne ein solches Gesetz.

Allerdings seien nur 23 von 1001 Gemeinden betroffen. Sie vermisst Regelungen für Städte mit weniger als 50 000 Einwohnern. Der DGB hatte Beauftragte für Städte ab 8000 Einwohnern gefordert. Offenbar habe das Land den Kommunen nicht weh tun und sie vor größerer finanzieller Belastung bewahren wollen, mutmaßen die Frauenverbände.

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Künftig sollen die Beauftragten Beanstandungsrechte bekommen, die auch Folgen haben, sagt Frenzer-Wolf. Das sei zu begrüßen. Als Herzensanliegen der Sozialministerin gilt eine neue Regelung zur Pflege in der Familie. Die bisherige kurze Passage zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf solle um die Pflege erweitert werden. Diese Möglichkeit sollen auch Frauen und Männer in leitenden Funktionen nutzen können.

Mit dem neuen Gesetz wird auch eine Frauenquote zum Beispiel in den Gremien von landeseigenen Unternehmen eingeführt. Die Quote will Altpeter den Behörden durch mögliche Arbeitserleichterungen schmackhaft machen. In Zukunft müssten die öffentlichen Arbeitgeber Gleichstellungspläne aufstellen und ihre Umsetzung im Internet dokumentieren. Wenn die Quoten erreicht seien, würden sie von der Planaufstellung befreit.

Die Frauen sehen Handlungsbedarf. „Wir haben bisher eines der schwächsten Gesetze in Deutschland“, klagt Frenzer-Wolf. Sie erwartet, dass auch im neuen Gesetz Wünsche offen bleiben. Die Gewerkschafterin schlägt vor, Unternehmen, die selber Frauenförderung machen, bei öffentlichen Vergaben zu bevorzugen.

Eine Geschäftsstelle für das Netzwerk kommunaler Gleichstellungsbeauftragter wäre ebenso wünschenswert wie ein Recht der Beauftragten auf Fortbildung.

Der Landesfrauenrat befürchtet, dass das Gesetz gegenüber früheren Eckpunkten abgespeckt wird. „Wir hoffen, dass unsere Punkte berücksichtigt werden und unterstützen die Ministerin bei der Bestrebung, das Gesetz in dieser Legislatur umzusetzen“, sagt Luisa Boos diplomatisch. Schon jetzt findet der Frauenrat: „Die gleichstellungspolitische Bilanz hätte besser ausfallen können. Aber wir sind froh, dass überhaupt noch was kommt“. Bleibt die Frage, wann.