Die Glemsanrainer haben gemeinsam eine Computersimulation erstellen lassen. Auf den elektronischen Karten wird der Abfluss des Oberflächenwassers simuliert. Auf diese Weise wollen Ortsverwaltungen und Bürger gemeinsam das Hochwasser bannen.

Ditzingen - In gewisser Weise haben sich acht Kommunen und ein Ingenieurbüro auf ein Experiment eingelassen: Wird es gelingen, dass Bürger und Rathausverwaltungen gemeinsam ihren Ort vor Hochwasser schützen? Niemand hat Erfahrung damit. Denn ein solch’ interaktives Projekt, wie es in Ditzingen vorgestellt wurde, gibt es nach Einschätzung der Fachplaner bundesweit bisher kein zweites Mal.

 

Ereignisse wie im Juli 2009 in Korntal-Münchingen sowie ein Jahr später in Gerlingen und Ditzingen sollen sich nicht wiederholen. Deshalb hatten Ditzingen, Gerlingen, Hemmingen, Korntal-Münchingen, Leonberg, Markgröningen, Schwieberdingen und Stuttgart gemeinsam beim Heidelberger Büro Geomer Computersimulationen in Auftrag gegeben. Am Dienstag wurden sie der Öffentlichkeit präsentiert.

Geomer hat für jede der Kommunen verschiedene Starkregenereignisse simuliert und den Ablauf des Oberflächenwassers in Gefahrenkarten dargestellt – von einem mittleren Ereignis, wie es jeder mehrfach im Leben erlebt hat, bis hin zu einem extremen Regen, wie er 2010 in Gerlingen niederging. Die Karten sind im Internet einsehbar. Jeder Bürger kann nun prüfen, ob er vom Hochwasser betroffen ist oder nicht. Vor allem aber sind die Bürger aufgerufen, am Hochwasserschutz mitzuarbeiten. Schäden mitteilen, Schutzmaßnahmen nennen – wer sich registrieren lässt, kann das Informationsportal mitgestalten. Geomer moderiert den Prozess. Nicht registriert sein muss, wer sich mit individuellen Fragen an das Büro wenden will. Jeder könne mit einer Antwort rechnen, erklärt Stefan Jäger, Geograf bei Geomer. Er wirbt für den Dialog: „Die Internetplattform lebt davon, dass sich die Bürger beteiligen.“ Das Büro wird die Kommunen zunächst wenigstens die kommenden zwei Jahre begleiten. Es wird auch die Hochwassergefahrenkarten des Landes einarbeiten, die Ende des Jahres vorliegen sollen. Auch das ist in den Gesamtkosten von 220 000 Euro enthalten. Das Land beteiligt sich finanziell zur Hälfte, die Kommunen tragen je 27 000 Euro. Ditzingen koordiniert das Projekt. Dass die Kommunikation mit den Bürgern an ein externes Büro vergeben wurde, hat nicht nur praktische Gründe.

Die fachliche Information stehe im Vordergrund, „es geht nicht um Politik“, sagt der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath. Es gehe darum, Risiken transparent zu machen. Gleichwohl fügt er an, niemand werde gehindert, das Thema zu politisieren. Er weiß aber auch, dass sich die Kommunen der Diskussion mit den Bürgern stellen müssen, etwa bei den Themen Versiegelung oder Dimensionierung des Kanalnetzes. Dort werden die Meinungen aufeinanderprallen: „Der Dissens ist nicht aufzulösen“, meint der OB jedoch. Für die Verwaltung sei es in diesem Zusammenhang deshalb wichtig, eine klare Position zu haben. „Jeder Grundstückseigentümer ist selbst verpflichtet“, stellt auch der Gerlinger Bürgermeister Georg Brenner klar. Das entbinde die Kommunen aber nicht, ihre Hausaufgaben zu machen: Von der Ertüchtigung der Kanalisation ist die Rede, von Bau eines Rückhaltebeckens, vom Einbau eines beweglichen Wehrs, um den Zufluss in die Verdolung zu kontrollieren – und von Baugesuchen in gefährdeten Gebieten, die künftig nur unter Auflagen genehmigt werden.