Christoph Maria Herbst und seine Kollegen haben in Stuttgart neue Folgen der Serie "Stromberg" präsentiert - mit Humor an der Schmerzgrenze.

Stuttgart - Bernd Stromberg ist der wandelnde Gegenbeweis zu der These, dass Schaden klug macht. In unzählige Fettnäpfchen ist der Mann in den ersten vier Staffeln der nach der Hauptfigur benannten Fernsehserie getreten, zigmal hat er Untergebene bloßgestellt und Vorgesetzte brüskiert. Der Mitarbeiter mit Leitungsfunktion der Capitol Versicherung AG ist der Prototyp des zu kurz Gekommenen, ein Karrierist im Beruf wie im Privaten, der nach oben buckelt und nach unten tritt, wenn auch nur mit bescheidenem Erfolg.

 

Jemand, der sich vom Azubi in der Kantine das Essen bezahlen lässt und ihn keine Viertelstunde später bei der nächsthöheren Stelle anschwärzt. Kurz: Stromberg könnte direkt Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ entstiegen sein, was eigentlich eine schöne Vorstellung ist, weil man sich gar nicht erst ausmalen möchte, was für leibliche Eltern so jemand haben könnte. Am 8. November startet auf Prosieben die fünfte Staffel der Pseudo-Dokumentation („Mockumentary“).

Gemeinsam mit Ralf Husmann, dem Autor und Produzenten der Reihe, und Bjarne Mädel, der die Rolle des Ernie spielt, hat der Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst am Dienstagabend vier neue Folgen im Gloria-Kino in Stuttgart vorgestellt. Und die Staffel beginnt vielversprechend. Nach seiner Versetzung in das Provinzkaff Finsdorf hat sich Stromberg erfolgreich zurück auf seinen alten Posten als stellvertretender Leiter der Schadensregulierung intrigiert. Dort steht zunächst die Besetzung der freien Stellen für Auszubildende an. „Sie sind, äh, Marokkaner?“ fragt Stromberg den ersten Kandidaten. „Meine Eltern“, erwidert dieser. Darauf Stromberg: „Na, dann können Sie ja schon mal an Weihnachten durcharbeiten.“

Dahinter tobt in Wahrheit das Ressentiment

Ärger von oben gibt es für den stellvertretenden Abteilungsleiter, als der Bewerber sich über dessen Witz beschwert, er werde wohl früher oder später mit dem Flugzeug zur Arbeit kommen – schließlich seien ja alle Muslime potenzielle Terroristen. Als dann ausgerechnet Stromberg einen „Integrationskurs“ leitet, um seine Abteilung auf den neuen Kollegen vorzubereiten, gibt er Sätze von sich wie: „Die sind nicht schlechter als wir, nur anders.“ Das entlarvt geschickt die geheuchelte, weil gesellschaftlich erwünschte Toleranz, hinter der in Wahrheit das Ressentiment tobt. Strombergs Mitarbeiter Ernie, die vielleicht noch interessantere Figur, gibt sich nicht einmal Mühe, das zu verheimlichen: „Jesus war ja gegen Gewalt und weil das die Moslems nicht einsehen wollten, gab es die Kreuzzüge.“ Solche Hypothesen kennt man ansonsten nur aus dem Bierzelt.

Im Vergleich zu den vorangegangenen Episoden sind derartige Szenen zwar nicht unbedingt neu, aber das Konzept hat sich ja auch bewährt. In jedem Fall ist es den Machern gelungen, treffsicher und in hoher Frequenz Pointen zu setzen – soweit sich das bisher beurteilen lässt. Nach der Vorführung der ersten beiden Folgen kamen Herbst, Husmann und Mädel aufs Podest und stellten sich für einige Minuten den Fragen aus dem Saal. Dabei zeigte sich, dass Herbst zumindest in Sachen Zynismus den Vergleich mit seinem Alter Ego nicht zu scheuen braucht. Als zwei Besucher mitten in die Fragestunden platzten und sich mit reichlich Getränken beladen den Weg zu ihren Plätzen bahnten, meinte er trocken: „Da ist er, der durchschnittliche Stromberg-Fan: Kommt zu spät, hat aber drei Bier in der Hand.“

In Plauderlaune zeigte sich auch Husmann („Man hat uns eigentlich versprochen, ihr Stuttgarter werdet untertitelt“); er zerstreute elegant den anklingenden Vorwurf, das Konzept der Serie sei von der BBC-Produktion „The Office“ geklaut und verriet, dass ein möglicher Stromberg-Film derzeit noch am fehlenden Geld scheitere. Ernie-Darsteller Mädel hielt sich zurück, seine bloße Präsenz war aber interessant genug: Sportlich gekleidet und mit Basecap auf dem Kopf wies der Schauspieler keinerlei Ähnlichkeit mit dem verdrucksten Muttersöhnchen auf, das er in der Serie verkörpert. Und irgendwie ist es ja auch ein bisschen beruhigend daran erinnert zu werden, dass zwar die Stereotype real, wenigstens aber Stromberg und Ernie bloße Fiktionen sind.