Bei Infoabenden entlang der geplanten Stromtrasse Suedlink gibt es kaum Konflikte – Dieses größte Vorhaben der Energiewende kostet zehn Milliarden Euro.
Schöntal - Es kommt selten vor, dass sich Veranstalter freuen, wenn die Gäste ausbleiben – bei den Stromnetzbetreibern Transnet-BW und Tennet ist das derzeit beinahe so. Sie stellten in Dutzenden Infoabenden zwischen Brunsbüttel und Schöntal (Hohenlohekreis) die geplante Stromtrasse Suedlink vor, und oft verloren sich nur wenige Besucher in riesigen Hallen, Häppchen und Holunderschorle blieben fast unberührt. Aber die Netzbetreiber dürfen frohgemut und zurecht den Schluss ziehen: wenig Gäste bedeutet wenig Kritiker – die Stromtrasse scheint weitgehend akzeptiert zu sein.
Tatsächlich hat die Bundesregierung vielen Gegnern den Stecker gezogen, als sie 2015 beschloss, dieses größte Energieprojekt aller Zeiten – 700 Kilometer Kabel, zehn Milliarden Euro Kosten – komplett unter die Erde zu verlegen. Den Menschen war damit die Sorge um gesundheitsgefährdende elektromagnetische Wellen durch Freilandleitungen auf einen Schlag genommen. Der Preis: Suedlink dürfte mit Erdkabeln dreimal so teuer werden, doch die Politik und die Netzbetreiber stört das nicht – sie können die Ausgaben an die Stromkunden weitergeben. Laut Suedlink-Sprecherin Saskia Albrecht kommen auf eine Familie rechnerisch 20 bis 40 Euro Mehrkosten pro Jahr durch die Erdkabel zu. Doch werde es durch Suedlink auch Einsparungen geben; derzeit müssen etwa Windradbetreiber entschädigt werden, wenn sie wegen eines überlasteten Netzes ihren Strom nicht einspeisen können. Das mache bundesweit eine Milliarde Euro aus; bis 2023 könnten es sogar vier Milliarden Euro werden, so Albrecht.
Suedlink soll im Jahr 2025 in Betrieb gehen
Spätestens 2025 soll die Stromtrasse nach einer vierjährigen Bauzeit in Betrieb gehen; über sie soll der Strom der vielen Windräder im Norden nach Süden in die Industriegebiete geleitet werden. Derzeit sind zwei jeweils 1000 Meter breite Korridore in der näheren Prüfung, bis zum Jahresende wollen Tennet und Transnet-BW der Bundesnetzagentur einen Korridor vorschlagen. Meist werden die Kabel in offener Bauweise in Gräben gelegt; unter Flüssen und Straßen werden sie durchgeschoben. Um Siedlungen wird die Leitung, bestehend aus zwei bis vier Kabeln, herumgeführt. Beim Endpunkt bei Leingarten (Landkreis Heilbronn) muss ein Konverter gebaut werden, der in 20 Meter hohen Hallen stehen wird – doch die Fläche eines bestehenden Umspannwerkes reiche dafür aus, betont der Sprecher von Transnet-BW, Alexander Schilling.
Auch bei der Infoveranstaltung in Schöntal stand niemand mit Plakaten vor der Turn- und Festhalle im Ortsteil Westernhausen, Kritiker fand man gar keine. Siegfried Retzbach etwa ist aus purem Interesse an der Technik gekommen – es sei doch gut, dass Atom und Kohle verschwänden, sagt er. So sind es vorwiegend Landwirte, die von den Fachleuten wissen wollen, mit welcher Entschädigung sie rechnen können, wenn die Leitung unter ihrem Acker hindurchführt. Experte Karl Wieland gibt Antwort: Man zahle einmalig 20 bis 30 Prozent des Verkehrswerts. In anderen Bundesländern reicht das den Bauern nicht aus – sie wollen regelmäßige Zahlungen. Das gebe das Gesetz nicht her, kontert Wieland.
Entlang der Trasse gibt es fast 50 Bürgerinitiativen
Widerstand gegen Suedlink gibt es aber sehr wohl. Im Südwesten hat sich seltsamerweise keine einzige Bürgerinitiative gegründet, entlang der sonstigen Trasse sind es fast 50. Guntram Ziepel ist der Vorsitzende des Bundesverbandes dieser Initiativen. Er kritisiert, dass es kein Konzept für die Energiewende in Deutschland gebe: „Offensichtlich wird der Umbau der Energieversorgung dem Zufallsprinzip überlassen.“ Jedes Land und jede Region plane für sich. Ziepel hält Suedlink bei vernünftiger Planung für überflüssig und fordert deshalb ein Moratorium. Für ihn sind auch viele technische Fragen offen; er zweifelt die Baukosten an, und wie die Landwirte richtig entschädigt würden, das müsse erst noch geklärt werden.