Weil es offenbar eine zu niedrige Impfquote angegeben hat, ist das Robert Koch-Institut in die Kritik geraten. Eine wissenschaftliche Studie rehabilitiert jetzt das RKI.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Sind die offiziellen Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Impfquote in Deutschland möglicherweise doch genauer als ihr Ruf? Wie aus einer noch unveröffentlichten sozialwissenschaftlichen Studie der Technischen Universität Chemnitz und der Uni Konstanz hervorgeht, sind Zweifel angebracht, ob die zuletzt in Umfragen festgestellten höheren Impfquoten wirklich der Wahrheit entsprechen.

 

In den vergangenen Wochen war die Statistik des RKI in die Kritik geraten, weil sie die Impfquote gegen das Coronavirus niedriger angegeben hatte, als sich bei repräsentativen Umfragen ergeben hatte. Diese Diskrepanz war in der öffentlichen Debatte auf eine deutliche Untererfassung der tatsächlichen Impfquoten durch Haus- und Betriebsärzte sowie Impfzentren zurückgeführt. Die Forscher halten jedoch eine andere Erklärung für noch plausibler. Demnach lägen wohl eher die Umfragen falsch, weil es viele Befragte mit der Wahrheit möglicherweise nicht so genau nähmen.

Befragte wissen, was sozial erwünscht ist

„Wir können zeigen, dass Effekte sozialer Erwünschtheit in Umfragestudien dazu führen, dass Befragte eine Impfung gegen Covid-19 auch dann angeben, wenn diese gar nicht erfolgt ist“, sagte der Chemnitzer Soziologieprofessor Jochen Mayerl. „Wenn wir davon ausgehen, dass eine Impfung gegen Covid-19 als normativ erwünscht gilt, und dass die meisten erwachsenen Menschen in Deutschland diese Norm wahrnehmen – gleichgültig, ob sie die Norm persönlich für richtig oder falsch halten – dann entsteht ein Anreiz für Ungeimpfte, mit ihren Angaben von der Wahrheit abzuweichen, um eine Missbilligung durch wen auch immer zu vermeiden“, erklärte Felix Wolter vom Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz.

Um dies herauszufinden, verglichen die Wissenschaftler die Ergebnisse unterschiedlicher Umfragen, die sie onlinebasiert unter mehr als 7500 Teilnehmern durchgeführt hatten. Dabei zeigte sich: Wurde direkt nach dem Impfstatus gefragt, gaben 85 Prozent der Interviewten zwischen 18 und 70 Jahren an, mindestens einmal geimpft zu sein. Wurde die Frage zum Impfstatus jedoch nicht direkt gestellt, sondern anonymisiert zusammen mit anderen unverfänglicheren Fragen, aus denen der Impfstatus abgeleitet werden kann, lag die Quote nur noch bei 75 Prozent.

Ergebnis ist keine Überraschung

„Der Unterschied ist statistisch signifikant, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Unterschiede zwischen direkter Frage und indirekter Ermittlung rein zufällig entstanden sind, ist äußerst gering“, sagte Wolter. Überrascht sind die Wissenschaftler von diesem Ergebnis nicht. Dass solche Antwortverzerrungen in Umfragen aufträten, sei eine gesicherte Erkenntnis in der empirischen Sozialforschung.