Die Zahl weiblicher Führungskräfte in den börsennotierten Unternehmen geht zurück – trotz der Quotendebatte und der Einführung von Vorgaben für die Besetzung von Aufsichtsräten.

Stuttgart - Die Führungsetagen der börsennotierten Unternehmen in Deutschland werden immer noch eindeutig von Männern dominiert – aber die Chancen für weibliche Vorstandsmitglieder steigen. „Die Bemühungen vieler Unternehmen, mehr Frauen an die Spitze zu bringen, zeigen noch nicht den gewünschten Erfolg“, erklärte Ana-Cristina Grohnert von der Stuttgarter Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young). Sie konstatierte den Unternehmen aber, intensiv daran zu arbeiten, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.

 

„Dieser Prozess gelingt nicht von heute auf morgen. Und er schließt vieles mit ein, zum Beispiel die Entwicklung einer offenen Unternehmenskultur und die nachhaltige Förderung weiblicher Nachwuchskräfte“, erklärte die EY-Partnerin bei der Vorlage einer Studie. Anders als in den Aufsichtsräten, wo von 2016 an die 108 größten börsennotierten Unternehmen nach einem vor Kurzem verabschiedeten Gesetz mindestens 30 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen sollen, gibt es für die Vorstände keine gesetzlich festgelegte Frauenquote.

Immerhin sind Frauen nicht mehr auf Ressorts festgelegt

Zwar hat schon jedes fünfte Unternehmen aus der Riege der Börsenunternehmen mindestens eine Frau im Vorstand, der Frauenanteil unter den insgesamt 663 Vorstandsmitgliedern ist jedoch im vergangenen Jahr sogar von 6,1 auf 5,6 Prozent zurückgegangen. Nur noch 37 Frauen sitzen in der obersten Führungsebene. EY-Partnerin Grohnert sieht dennoch auch ermutigende Signale: „Frauen haben sich in der Zwischenzeit in allen Vorstandsbereichen etabliert, immer mehr auch im operativen Bereich. Eine Aufteilung nach klassischen männlichen und weiblichen Ressorts ist damit kaum noch möglich.“ Es werde daher vermutlich nicht mehr lange dauern, bis es auch in Deutschland mehr weibliche Vorstandschefs geben werde, denkt Grohnert. Die meisten Unternehmen hätten verstanden, dass es in Zukunft keine Alternative zu gemischten Führungsteams gebe. „Diese Bemühungen werden auf Dauer Früchte tragen. Kreative, aufgeschlossene und verantwortungsbewusste Unternehmen genießen einen guten Ruf und ziehen deshalb qualifizierte Frauen an“, erklärte Grohnert.

Kontinuierliche Fortschritte bei der Besetzung mit Frauen gibt es aber bis jetzt offenbar nur bei den 30 Dax-Unternehmen. Obwohl die größten Konzerne erst 2007 überhaupt damit begonnen haben, zunehmend Frauen in die Führungspositionen zu befördern, liegt der Anteil der Unternehmen mit mindestens einem weiblichen Vorstandsmitglied in der ersten Börsenliga heute schon bei 40 Prozent, der Anteil der Frauen an den 188 Dax-Vorstandsposten ist im vergangenen Jahr von sechs auf sieben Prozent gestiegen. In sieben Prozent der Dax-Unternehmen gibt es sogar mehr als nur eine Vorstandsfrau.

RTL-Chefin Anke Schäferkordt ist die einzige Vorstandschefin

Das sieht in den anderen Bereichen, den Unternehmen des M-Dax, S-Dax oder Tec-Dax noch wesentlich mauer aus. Bei den mittelgroßen und kleineren börsennotierten Unternehmen gibt es kein Unternehmen, in dem mehrere Frauen in der Führungsetage sitzen. Bislang allerdings ist nur eine einzige Frau Vorstandschefin eines der 160 börsennotierten Unternehmen: Anke Schäferkordt führt zusammen mit Guillaume de Posch die im M-Dax notierte Senderkette RTL Group.

Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) ist denn auch nach wie vor dafür, in den Vorständen eine gesetzliche Regelung einzuführen. Bei der Vorstellung einer ähnlichen Studie im Oktober vergangenen Jahres hatte sie auf die positive Entwicklung in den Aufsichtsräten hingewiesen. Dort ist der Anteil der weiblichen Mitglieder seit Januar 2011 von zehn auf 18,9 Prozent gestiegen. Für Schwesig war das ein Anzeichen dafür, „dass sich ohne gesellschaftlichen Druck und ohne klare politische Vorgaben wenig ändern wird“.

Im Energiesektor gibt es keine einzige Frau im Vorstand

Nach wie vor unterscheidet sich nach der Studie von EY der Frauenanteil je nach Branche sehr deutlich. Während im Bereich Transport und Logistik 15 Prozent der Vorstände weiblich seien, sei ihr Anteil in der Rohstoffbranche und in der Informationstechnologie mit jeweils zwei Prozent deutlich niedriger, teilte die Beratungsgesellschaft mit. Im Energiesektor ist derzeit demnach sogar kein einziges Vorstandsmitglied weiblich, die ehemalige Personalchefin von Eon, Regine Stachelhaus, war im Mai 2013 ausgeschieden, um ihren schwer erkrankten Mann zu pflegen.