Immer mehr Studierende sind auf einen Zuschuss angewiesen – oder müssen nebenher jobben. Doch viele Unternehmen sichern sich mittels Stipendiengabe auch frühzeitig den Nachwuchs.

Stuttgart - Ohne die monatlichen 300 Euro aus dem Deutschlandstipendium hätte Melanie Müller (Name geändert) ein echtes Problem, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn die 28-Jährige, die an der Hochschule für Technik (HfT) Wirtschaftspsychologie studiert, hat eine zwölf Jahre alte Tochter und sie ist alleinerziehend. „Ich hab einfach was gebraucht, um meinen Lebensunterhalt decken zu können“, sagt die Bachelorstudentin.

 

Wie ihr geht es offenbar immer mehr Studierenden. Der HfT ist es zwar gelungen, die Zahl ihrer eingeworbenen Stipendien auf insgesamt 141 zu steigern – davon sind 72 Deutschlandstipendien und 69 aus der hochschuleigenen Studienstiftung. Doch auch die Zahl der Bewerber ist sprunghaft nach oben geschossen – allein innerhalb eines Jahres von 200 auf 300.

„Ich bin immer damit beschäftigt, mir das Geld zusammenzustückeln“, berichtet Melanie Müller. Sie ist im fünften Semester und absolviert gerade ihr Praxissemester bei einer Unternehmensberatung. Zuvor hat sie dort seit April ihr Zubrot als Werkstudentin verdient. Dass sie bereits zum dritten Mal ein Deutschlandstipendium zugesprochen bekam, bezeichnet Müller als „Riesenglück“.

Kritik: nur leistungsstarke Studenten werden unterstützt

Ein Zufall war es gleichwohl nicht, denn mit dem nationalen Stipendienprogramm werden nur leistungsstarke Studenten unterstützt, weshalb es auch umstritten ist. Doch Melanie Müller kann nicht nur gute Noten vorweisen. Sie engagiert sich auch an der Hochschule – etwa beim Science Slam, aber auch bei zusätzlichen Forschungsprojekten in ihrem Studienfach Wirtschaftspsychologie. „Wir forschen an der Beeinflussung durch Farbreize“, sagt sie. Außerdem arbeitet sie an ihrem Wohnort Ludwigsburg-Hoheneck im Arbeitskreis Asyl mit – eine Herzensangelegenheit. „Wenn ich etwas gern mache, kann ich ziemlich viel auf einmal tun“, erklärt sie, wie sie ihr umfangreiches Pensum schafft.

Auf das Studium habe sie hingearbeitet. Denn ihr Job als Verwaltungsfachangestellte im öffentlichen Dienst bei der Stadt Ludwigsburg sei ihr zu langweilig gewesen, sagt Melanie Müller. Daher habe sie die Fachhochschulreife nachgeholt. „Ich wollte mich einfach weiterentwickeln“, sagt sie.

Ein Ehrenamt ist geradezu zu ein Muss

Bei ihrer Kommilitonin Marlene Schneller liegt der Fall etwas anders. Die 19-Jährige studiert an der HfT im dritten Semester Wirtschaftsingenieurwesen Bau und Immobilien und hat es geschafft, ein Stipendium der hochschuleigenen Studienstiftung zu ergattern. Sie wohnt noch zuhause, kann aber die 1200 Euro extra, verteilt auf ein Jahr, gut gebrauchen. Ihr Motiv für die Bewerbung: „Der Gedanke, dass man das Finanzielle und das Fachliche miteinander verbinden kann“, sagt sie. Denn ihr Förderer, die IWTI-GmbH, habe ihr zudem einen Job als Werkstudentin angeboten. Das sei viel besser als zu kellnern, was sie bisher gemacht habe. Auch Marlene Schneller konnte nicht nur durch gute Studienleistungen punkten, sondern auch durch ihr soziales Engagement. Sie ist Studiengangsprecherin, Mitglied im Senat und im Studierendenparlament, im Verein für Wirtschaftsingenieure und im Jugendvorstand der Skizunft Feuerbach. „Ich hab gar keine Zeit zum Geldausgeben“, sagt sie und lacht. „Jetzt spare ich für ein Auslandssemester in Kanada.“

Hoher Anteil an Stipendien an der Hochschule

Mit ihren 141 Stipendien liegt die HfT in der Relation deutlich über anderen Hochschulen, auch über der 1,5- Prozent-Marge, die der Bund festgelegt hat. „Wir haben unsere 59 Plätze voll ausgeschöpft und 12 weitere vergeben können, weil andere Hochschulen ihre Quote nicht ausgeschöpft haben“, so eine HfT-Sprecherin.

Allein in diesem Jahr konnte die Hochschule Stipendien in Höhe von insgesamt 340 000 Euro vergeben und 3,5 Prozent der Studierenden damit erreichen. Das freut Rainer Franke, den Rektor der HfT. Denn: „Wir haben viele, die nebenher ihr Geld fürs Studium verdienen müssen.“

Franke nennt zwei Gründe, warum seine Hochschule in Sachen Stipendien so erfolgreich sei: „Das A und O ist der ,Kümmerer’. Wir haben eine Stabsstelle dafür eingesetzt, die am Rektorat angesiedelt ist.“ Ein weiterer Effekt wirke sich günstig aus: „Wir haben viele Studiengänge, in denen die Absolventen händeringend gesucht werden – zum Beispiel Bauingenieure. Wer die einstellen will, muss sich früh darum kümmern.“ Auch der große Praxisbezug im Studium sei positiv. Im dritten Jahr absolvierten die meisten ihr Praxissemester. Das bringe gute Kontakte – sowohl den Studierenden als auch den Unternehmen.

Kneipentreffverein Block4 unterstützt zehn Stipendien

Doch nicht nur diese finanzieren Stipendien, sondern auch der von Studierenden getragene Kneipentreffverein Block4 . „Wir sind stolz drauf, dass wir dieses Jahr zehn Stipendien ausschütten“ sagt Jan Pfeffer, Vereinsvorstand und Asta-Vorsitzender. Auch wenn es bei den Eisblock- und Beachpartys sowie bei den Stallfesten oft hoch hergehe – „wir haben da breite Rückendeckung aus dem Rektorat.“

Melanie Müller beeindruckt das „sozusagen bedingungslose Engagement“ der Geldgeber. Aber auch die Wertschätzung seitens der HfT, „Ich hoffe, dass ich mir das irgendwann zum Beispiel nehmen kann.“