Mikel Landa, Matej Mohoric und Emanuel Buchmann: Dass sich beim Giro d’Italia schon so viele Fahrer schwere Verletzungen zugezogen haben, liegt auch an Straßenführungsproblemen. Die Rennsicherheit soll jetzt verbessert werden.

Stuttgart - Blut und Schmerzen brachte auch dieser Giro d’Italia zuhauf. Der Spanier Mikel Landa fuhr auf der 5. Etappe auf einen Streckenposten, der das Feld vor einem Verkehrshindernis warnen wollte. Ein gebrochenes Schlüsselbein und multiple Rippenfrakturen waren das Resultat. Vier Tage später erwischte es Matej Mohoric. Der Slowene, technisch einer der besten Fahrer im Feld – er führte auch die inzwischen verbotene aerodynamische Super-Tuck-Position ein – prallte nach einem Fahrfehler auf eine Bordsteinkante. Er flog kopfüber über die Lenkstange, landete senkrecht, mit dem Kopf zuerst, auf dem Asphalt. Es war ein schreckliches Bild. Dank seines Helms kam Mohoric mit einer leichten Gehirnerschütterung davon. „Der Helm rettete mein Leben“, sagte er später.

 

Gehirnerschütterung, Schnittwunden, Prellungen

Diesen Sonntag zog sich Emanuel Buchmann bei einem Massensturz ebenfalls eine Gehirnerschütterung sowie Schnittwunden und Prellungen im Gesicht zu. Buchmann wurde von dem Rennarzt aus dem Rennen genommen.

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Die Beispiele verdeutlichen: Sturzursachen gibt es viele. Hindernisse, ja selbst Warnungen vor Hindernissen können Stürze auslösen. Fahrfehler können der Grund sein oder auch simples Pech. „Emu war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort“, beschrieb Buchmanns Teamkollege Felix Großschartner das Szenario vom Sonntag. Zwanzig Fahrer weiter vorn oder zwanzig Fahrer weiter hinten – und Buchmann wäre entweder vor dem Sturz gewesen oder hätte weiter hinten ausreichend Zeit zum Bremsen gehabt.

Dass Buchmann aus dem Rennen genommen wurde, lag auch daran, dass der Rennarzt wegen der Neutralisierung des Rennens genug Zeit hatte, das medizinische Protokoll der UCI bei Verdacht auf Gehirnerschütterung umzusetzen und die entsprechenden Tests zu machen. Bei den meisten Stürzen im Rennen ist dies nicht möglich. Die Tests dauern einige Minuten. Sollte sich der Verdacht auf Gehirnerschütterung nicht bestätigen, ist das Feld dann aber so weit entfernt, dass ein Fahrer den Anschluss kaum schafft. Durchgeführt werden die eigentlich sinnvollen Tests also nur bei einer Neutralisierung des Rennens. Das aber kommt selten vor. Hier besteht noch Nachbesserungsbedarf.

Risikofaktor Straßenplanung

Hoffentlich wird damit nicht so lange gewartet wie mit der Einführung der Helmpflicht. Bei der Tour de France 1995 stürzte Fabio Casartelli in einen Abgrund und starb. Erst acht Jahre später wurde die Helmpflicht eingeführt. Landas Sturz weist auf das laut UCI-Präsident David Lappartient größte Problem des Radsports hin: „Bei unserer Analyse von Sturzursachen haben wir unterschiedliche Faktoren bemerkt. Der wichtigste Aspekt ist, dass es jede Menge baulicher Veränderungen auf den Straßen gibt. Natürlich verstehe ich, dass die Städte die Fußgänger besser schützen wollen im Verkehr und deshalb Veränderungen vornehmen. Aber wegen dieser Veränderungen wird es bei den Rennen dann auch gefährlicher“, sagte Lappartient der ARD.

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Um diese Hindernisse zu reduzieren, gibt es mehrere Möglichkeiten. Man kann Einfluss auf die Städte nehmen, dass sie sie gar nicht erst bauen. „Aber das ist schwierig, ich kenne das aus eigener Erfahrung, ich bin selbst Bürgermeister“, sagte Lappartient. Der Radprofi Roger Kluge, bis vor einigen Tagen für das belgische Team Lotto Soudal noch beim Giro, hat einen ganz pragmatischen Tipp: „Abflexen, Rennen fahren, danach wieder anbauen“, sagte er unserer Zeitung. Oder man warnt vor den Hindernissen. „Nur einen Mann davor hinstellen, reicht aber nicht“, meint Kluge. Besser sind da schon optische und akustische Warntafeln. „Die wurden im letzten Jahr schon bei der Tour de France eingesetzt, und ich habe sie auch hier beim Giro gesehen. Die sind wirklich gut“, sagte Jens Zemke, als sportlicher Leiter von Bora Hansgrohe beim Giro.

Super-Tuck-Position verboten

Die Warntafeln wurden noch vor Verabschiedung der neuen Sicherheitsregeln der UCI eingeführt. Sie gelten seit dem 1. April und sehen unter anderem stabilere Barrieren und ein Verbot der Super-Tuck-Position vor. Mit den neuen Regeln zog zugleich größere Aufmerksamkeit für Sicherheitsprobleme in den Radsport ein. Genau dieser Aufmerksamkeit ist es zu verdanken, dass es am Montag keine Bilder von über regennasse Abfahrten schlitternde Fahrer gab wie noch zu Beginn der Tour de France 2020 in Nizza. Damals beschloss das Peloton einen Bummelstreik. Am Montag verkürzten die Giro-Organisatoren auf Drängen der Profis von vornherein die Dolomitenetappe und nahmen dabei zwei kritische Abfahrten aus dem Programm.

Es tut sich also etwas. Die Rennställe allerdings fordern weiterhin eine unabhängige Instanz, ähnlich dem TÜV, zur Kontrolle der Sicherheit der Rennstrecken. Es bleibt noch viel zu tun.