Er war der bestbezahlte und der erfindungsreichste Stuntman Hollywoods: Hal Needham liebte die Gefahr. Der am Freitag im Alter von 82 Jahren Verstorbene war das Relikt einer ganz anderen Zeit. Mächtige Bildcomputer zur Illusionserzeugung gab es noch nicht.

Stuttgart - Dieser Mann muss sich doch mehr Knochen gebrochen haben als ein Metzgershund in einem langen Leben zum Abnagen bekommt! Wenn man dann in Hal Needhams Autobiografie „Stuntman! My Car-Crashing, Plane-Jumping, Bone-Breaking, Death-Defying Hollywood Life“ liest, dass er selbst für 40 Jahren Filmarbeit gerade mal 56 Knochenbrüche bilanziert – immerhin zweimal wurde sein Rückgrat deftig angeknackst –, ist man fast erstaunt.

 

Aber Needham, der am Freitag im Alter von 82 Jahren in Los Angeles gestorben ist, war eben nicht nur der bestbezahlte und erfindungsreichste Stuntman im Geschäft. Er war bei aller Waghalsigkeit, zumindest nach einer ersten, wilden Phase unglaublichen Anfängerglücks, auch umsichtig. Man muss Stunts nicht nur austüfteln und durchziehen. Man muss sie auch überleben.

Ein ahnungsloser Hinterwäldler

Needham hat zahllose Autoüberschläge hingelegt, ist aus Flugzeugen und von Hausdächern gesprungen, hat mit dem Feuer gespielt und sich selbst immer wieder zur Munition irgendwelcher selbst erfundener Katapultmaschinen gemacht, um zum Beispiel das Weggeschleudertwerden eines Menschen beim Angefahrenwerden von einem Auto zu simulieren.

Tja, hat er in einer Mischung aus Stolz, Provokation und Selbstironie seine Karriere erklärt, er sei eben ein ahnungsloser Hinterwälder aus den Ozarks gewesen, ein Bursche ohne Schulbildung, der in Hollywood etwas werden wollte. Da habe sich Stuntarbeit angeboten.

Filmemachen als Abenteuer

Needham hat sich neue Kamerasysteme zur besseren Erfassung von Stunts ausgedacht, hat beständig die Sicherheitsstandards auch bei Dutzendtricks verbessert und der Versuchung widerstanden, bis ins hohe Alter alles selbst machen wollen. Sein guter Freund Burt Reynolds hat Needham bei „Smokey and the Bandit“, auf Deutsch „Ein ausgekochtes Schlitzohr“(1977), das erste Mal einen Regieauftrag zugeschanzt, was beiden großen Spaß gemacht hat. 20 Mal hat der Stuntmeister insgesamt zum Grauen der Kritiker und zum Vergnügen eines nicht vordinglich an Feinheiten interessierten Publikums Filme auch inszeniert. Aber man darf Needhams Karriere nicht als fortschreitenden Versuch deuten, der direkten Gefahr zu entgehen.

Im Gegenteil, Needham war ein waschechter Danger Freak, wie das in den USA heißt. Er wollte stets in die nächste Gefahr hineinhechten, nur eben auch wieder weitgehend heil aus diesem Erlebnis herausrollen. Film war für Needham kein Medium, um Abenteuer zu simulieren, sondern eines, um Abenteuer zu erleben.

Heute macht’s der Bildcomputer

Zeiten wie die seinen werden nicht wiederkommen, auch wenn es noch immer gefährliche Arbeit für Stuntmen gibt. Aber viel von dem, was Needham mit dem eigenen Körper geleistet hat, wird heute an den Bildcomputer delegiert, der fotorealistische Illusionen schafft. Needham hat solche VFX-Bilder erwartbarerweise gehasst. Sie zeigten vor allem Stunts, die ganz und gar unmöglich seien, hat er gegrollt, und das raube ihm die Möglichkeit, sich in den Film hineinzuträumen.

Bei der diesjährigen Academy-Award-Verleihung hat Hal Needham einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk erhalten. Bei wenigen seiner Kollegen blieb ein so schlichtes Konzept von Zweck und Möglichkeiten des Kinos so frei von heimlicher Verachtung des Publikums. ,„Wenn sich Leute meine Filme ansehen“, hat Needham sein Arbeitsethos zusammengefasst, „dann soll ihr Adrenalin rauschen. Wenn das nicht klappt, habe ich meinen Job nicht ordentlich getan.“