Stuttgart 21 Der letzte Kelch am Bahnhof steht

Ein Spezialfahrzeug entfernt die Schalung von der letzten Kelchstütze. Foto: Bahn/Arnulf Hettrich

Die Deutsche Bahn feiert symbolisch das Ende der Arbeiten an den aufwendigen Kelchstützen des Bahnhofs von Stuttgart 21. Bis Ende des Jahres soll das Dach der Halle endgültig geschlossen sein. Beim Land verknüpft man das mit einer Hoffnung.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Gut sechs Jahre nachdem die Stuttgart-21-Bauer die Arbeit an den sogenannten Kelchstützen begonnen haben, ist nun die letzte dieser 28 geschwungenen Formen, die einmal das Dach der Bahnsteighalle bilden werden, fertig. Den beteiligten Architekten, Planern, Bauleuten und Verantwortlichen ist am Mittwoch die Erleichterung anzumerken gewesen, die fast schon an Erstaunen hinreichte, dass diese diffizile Arbeit nun getan ist.

 

Wettbewerb vor 26 Jahren

„Man ist als Architekt erleichtert, wenn man sieht, dass es so geworden ist, wie man sich das vorgestellt hat“, sagte Christoph Ingenhoven, der vor knapp 26 Jahren den internationalen Realisierungswettbewerb für den neuen Bahnhof gewonnen hat. Auch heute noch steht er zu dem Entwurf, „der geholfen hat, etwas viel Größeres zu vermeiden“. Auf dem Dach entstünden vier Hektar Fläche, die der Öffentlichkeit zugutekämen. An die Adresse aller Beteiligten sagt er, man habe „ein ungeheures Werk gebaut, für das es Mut und Durchhaltevermögen gebraucht habe“.

Der Stuttgarter Tragwerksplaner Werner Sobek („Ich bin dafür verantwortlich, dass das Gebaute auch stehen bleibt“) erinnerte an die Höhen und Tiefen der Bauzeit. „Mal stimmte der Zeitplan nicht, mal das Budget. Und dann gibt es noch technische Probleme.“ Das sei aber alles bei einem Unterfangen wie am Hauptbahnhof völlig normal. Dass manch einer weiterhin mit dem Entwurf fremdle, verbuchte Sobek als typisch Stuttgarter Phänomen. „Die Liederhalle wurde nach ihrer Eröffnung in der Zeitung als ,Kälberauktionshalle‘ bezeichnet.“ Und auch mit dem Fernsehturm habe die Stadtbevölkerung erst spät ihren Frieden gemacht.

Zeug zum Wahrzeichen?

Ein vergleichbares Potenzial zum Wahrzeichen attestierte S-21-Chef Olaf Drescher dem Bahnhof im Allgemeinen und den Kelchstützen im Besonderen. „Das sind 28 in Beton gegossene Kunstwerke.“ Christoph Ingenhoven habe den Bauleuten „viel aufgegeben, aber auch viel zugetraut“. Er bekräftigte, dass noch viel zu tun bleibe, aber das Ziel der Inbetriebnahme im Jahr 2025 Bestand habe.

Land dringt auf kürzere Wege

Ein Termin, „an dem das Land Baden-Württemberg ein überragendes Interesse hat“, sagte Berthold Frieß, Amtschef im Landesverkehrsministerium. Längst sei man dabei, den Regionalverkehr auf der Schiene ab dem Jahr 2026 zu planen, mit dem das Potenzial von Stuttgart 21 ausgeschöpft werden soll. Die Digitalisierung der Sicherungstechnik, deren Einbau derzeit Pendlern auf der Schiene mit einer wochenlangen Streckensperrung vieles abverlangt, erhöhe weiter die Möglichkeiten. Dass nun die letzte Kelchstütze fertig geworden sei, sei auch „ein Zeichen an die Bevölkerung“, dass sich die Baustelle, mit der sie so lange hat leben müssen, dem Ende zuneigt. „Und wenn das Dach geschlossen ist, dann prüfen Sie doch bitte ernsthaft, ob der Weg zu den Gleisen nicht doch wieder kürzer werden kann“, sagte Frieß in Richtung der DB-Verantwortlichen. Die jetzige Situation sei mit dem Begriff „Fernwanderweg“ treffend umschrieben. So ganz ohne Baustelle werde es aber auch nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht gehen: Daran erinnerte Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold. „Dann geht für uns die Arbeit erst richtig los.“ Auf den frei werdenden Gleisflächen soll das Rosensteinviertel entstehen, dessen Planung seit Kurzem mit dem Deutschen Städtebaupreis geadelt ist. Der Wettbewerb zur Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes sei in Vorbereitung. Pätzold, der lange Zeit zum Lager der Projektgegner gehörte und selbst Architekt ist, bekannte auf der Baustelle: „Die Kelchstützen sind ein beeindruckendes Erlebnis.“

Nach der Baustelle ist vor der Baustelle

Von Spätsommer an sollen sie ihre gläsernen Hauben bekommen, die Tageslicht in die Bahnsteighalle kommen lassen sollen. So ganz ist die Baustelle also noch nicht auf der Zielgeraden angekommen.

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