Für das Grundstück der Landeswasserversorgung wird ein deutlich höherer Wert ermittelt. Die Entschädigungen für die Tunnelarbeiten zu Stuttgart 21 könnten für die Bahn nun kostspieliger werden als bislang angenommen.
Stuttgart - Das Grundstück der Landeswasserversorgung (LW) im Kernerviertel ist mehr wert, als ursprünglich veranschlagt. Anstelle von 860 Euro pro Quadratmeter wird künftigen Verhandlungen ein Wert von 1338 Euro zu Grunde gelegt. Zudem muss geklärt werden, nach welchem Modell die LW für den Bau des Bahntunnels unter ihrem Gebäude in der Schützenstraße entschädigt wird. Das Ergebnis könnte für die weiteren Arbeiten an Stuttgart 21 Signalwirkung haben. Der Bau der Tunnel könnte für die Bahn wegen höherer Entschädigungszahlungen erheblich teurer werden als angenommen.
Im November 2013 musste die Bahn den Vortrieb der Rettungszufahrt zum südlichen Teil des Tiefbahnhofs nach wenigen Tagen stoppen. Grund war der Streit um die Entschädigung der LW, unter deren Gebäude der Tunnel gegraben wird. Zuerst hatte die Bahn 48 800 Euro als Ausgleich geboten, das Angebot dann jedoch auf 17 000, später auf 30 300 Euro korrigiert.
Das Gutachten wird präsentiert
Um den Baustopp zu beenden, wurde nach Vermittlung von OB Fritz Kuhn (Grüne) ein Kompromiss geschlossen. Bahn und LW-Vorstand unterzeichneten Ende November einen Vertrag, nach dem die Bahn weiter graben durfte. Die Wasserversorgung gab zudem beim Stadtmessungsamt ein Gutachten in Auftrag, das den Wert des Grundstücks genau beziffern und die Höhe der Entschädigung regeln sollte. Als vorläufige Entschädigung erhielt die Wasserversorgung rund 50 000 Euro.
Dieses Gutachten wurde dem Verwaltungsrat der LW am gestrigen Dienstag vorgestellt. Anstelle des Bodenrichtwerts von 860 Euro je Quadratmeter wurde nun ein speziell für das Grundstück ermittelter Bodenwert von 1338 Euro festgeschrieben. „Ich gehe davon aus, dass die Entschädigung jetzt höher ausfallen wird“, erklärt der Pressesprecher der Wasserversorgung, Bernhard Röhrle. „Die Geschäftsleitung hat nun den Auftrag, mit der Bahn über die endgültige Summe zu verhandeln.“
Der wohl spannendste Teil der Verhandlungen wird sein, welches Berechnungsmodell der Entschädigung zu Grunde gelegt wird. Gängigerweise wird bei Tunnelarbeiten das sogenannte Münchener Verfahren angewandt. Die Bahn hatte hingegen eigens für die S-21-Arbeiten von der DIA Consulting AG in Freiburg ein neues Modell entwickeln lassen (siehe Infokasten).
50 000 Euro – mindestens
„Die Entschädigung fußt auf drei Komponenten, von denen zwei nun fix sind“, sagt Röhrle, „erstens der Wert des Grundstücks, der jetzt geklärt ist.“ Auch sei klar, welcher Teil des Grundstücks von den Tunnelarbeiten betroffen ist. „Das sind 739 Quadratmeter“, so Röhrle. Der dritte Faktor sind die beiden Berechnungsmodelle. Der Sprecher hofft, dass die endgültige Summe noch im Lauf des Jahres festgeschrieben wird.
„Die knapp 50 000 Euro, die bislang bezahlt wurden, sind aus meiner Sicht das Minimum“, erklärt Gabriele Munk. Sie ist Mitglied des LW-Verwaltungsrats und sitzt für die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat. „Ich habe von Beginn an dafür plädiert, dass der genauere Bodenwert als Grundlage herangezogen wird“, sagt sie. Ob die Deutsche Bahn diesen Wert als Basis für die kommenden Verhandlungen anerkennen wird, bezweifelt Munk jedoch: „Die Bahn wird versuchen, die Rechte für die Tunnelarbeiten in der Stadt so günstig wie möglich zu bekommen.“ Sie wünsche sich, dass das etablierte Münchner Verfahren zum Einsatz komme.
Die Bahn will auf StZ-Anfrage nicht Stellung nehmen. „Wir werden uns in den kommenden Tagen äußern“, erklärt eine Sprecherin des Kommunikationsbüros.
Frank Schweizer von den Anwohnernetzwerken fordert, dass auch kleine Hausbesitzer von der neuen Berechnungsgrundlage profitieren. „Die Bahn muss jeweils den Bodenwert ermitteln und darf nicht einfach vom gröberen Richtwert ausgehen“, sagt er und fügt an: „Nicht jeder kleine Grundbesitzer kann selbst ein eigenes Gutachten anstrengen.“