Der Ton im Streit über Sinn und Unsinn des Filderdialogs zu Stuttgart 21 wird heftiger. Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Roland Klenk nennt das Verfahren eine „Beschäftigungstherapie“ und droht mit dem Boykott.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Leinfelden-Echterdingen - Der Ton im Streit über Sinn und Unsinn des Filderdialogs zu Stuttgart 21 wird heftiger. Am Mittwoch forderte der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk (CDU), „das Ende der Beschäftigungstherapie im Filderdialog“. Die Landesregierung müsse endlich verbindlich erklären, welche Veränderungen bei der Schienenanbindung des Flughafens an den Tiefbahnhof im Talkessel, die Gäubahn und die Neubaustrecke nach Ulm noch möglich seien. Dass dies nicht längst geschehen sei, mache ihn „nahezu fassungslos“.

 

Als Konsequenz droht Klenk kaum verklausuliert mit einem Boykott des vom Land angestrengten Bürgerbeteiligungsverfahrens. Wörtlich sagte er: „Wenn die Projektpartner jetzt nicht endlich gemeinsam und verbindlich schnellstens erklären, was auf den Fildern an Trassenplanung noch zur Disposition steht und was nicht, dann kann ich meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht mehr länger empfehlen, wertvolle Zeit an den Wochenenden für den Filderdialog zu opfern.“ Auch die Sinnhaftigkeit seiner eigenen Teilnahme stelle er infrage. „Für Phantomdiskussionen“, so Klenk, „stehe ich nicht zur Verfügung.“

Offiziell reagiert der CDU-Mann und erklärte S-21-Befürworter mit seiner verbalen Breitseite gegen die Landesregierung auf einen seit Wochen andauernden Streit zwischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und dem SPD-Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler. Bereits am 10. Mai hatte Hermann in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung die Direktanbindung des Flughafens an die Gäubahn infrage gestellt und stattdessen eine S-Bahn-Variante ins Spiel gebracht, über die nun auch beim Filderdialog diskutiert wird. Einen Tag später konterte Genosse Drexler mit dem Hinweis auf „die wahre Position der Landesregierung“, dass die Direktanbindung der Gäubahn nicht zur Disposition stehe, im Gegenteil. Sie zähle zu den „unverrückbaren Prämissen“ des Projekts. Diesen Konflikt haben Rote und Grüne in der Regierung bisher nicht beigelegt.

Boris Palmer versucht einen Befreiungsschlag

Mit seiner Fundamentalkritik am Filderdialog bildet OB Klenk freilich nicht nur eine Allianz mit den eigenen Kräften, sondern unbeabsichtigt auch mit dem hartleibigen Teil der Stuttgart-21-Gegner, der jenseits des Volksentscheids immer noch gegen das Gesamtprojekt kämpft. Hannes Rockenbauch, der Vorkämpfer der Gegnerbewegung, hat den Filderdialog bereits verlassen. Roland Klenk, der Vorkämpfer der Befürworter auf den Fildern, droht nun, es ihm nachzutun. Und beide haben letztlich die gleichen Argumente. Sie wenden sich gegen die Grünen, die von einer ergebnisoffenen Diskussion sprechen, obwohl viele Ergebnisse aufgrund von geschlossenen Verträgen feststehen.

Nun versucht der Tübinger Oberbürgermeister und ausgewiesene S-21-Kritiker Boris Palmer einen Befreiungsschlag. Der Grüne hat auch konservative Amtskollegen und Landräte aus der Region Neckar-Alb um sich geschart und die Umleitung der Gäubahn über Tübingen und Reutlingen auf die Neubaustrecke angeregt. Sollte diese kommen, würde er sogar seine „Bedenken bezüglich der Leistungsfähigkeit des neuen Bahnknotens weitgehend aufgeben“.

Dass im Filderdialog auch über diese Variante diskutiert wird, erzürnte jedoch den CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Peter Hauk so sehr, dass er am Montag nach Böblingen gereist ist, um mit dem dortigen Landrat sowie Vertretern der Regionalverbände Nordschwarzwald, Schwarzwald-Baar und Stuttgart erneut darauf hinzuweisen, dass der direkte Anschluss der Gäubahn an den Flughafen nicht verhandelbar sei. Und weil wichtige Sätze nicht oft genug gesagt werden können, wird am Freitag das gleiche Programm noch einmal gegeben, dann im Landtag mit dem Freudenstädter Landrat und dem Horber Oberbürgermeister.

Die Staatsrätin Erler versteht die Aufregung nicht

Der Offensive der Opposition begegnen die Landtagsgrünen defensiv. Im Blick auf den Filderdialog „sind wir uns der schwierigen Rahmenbedingungen bewusst“, sagt der Vorsitzende des Arbeitskreises Verkehr und Infrastruktur, Andreas Schwarz. Deswegen habe er „großen Respekt vor der Aufgabe der Staatsrätin Gisela Erler, diese informelle Bürgerbeteiligung durchzuführen“.

Solcherlei Mitgefühl erfährt Erler selten in diesen Tagen. Auf Anfrage der StZ lässt die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung mitteilen, dass sie die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehe. Ihrer Ansicht nach habe sich an den Bedingungen des Filderdialogs „nichts geändert“. Sinn des Bürgerbeteiligungsverfahrens „ist es doch, nicht mehr die alten Konflikte fortzusetzen“. Im Filderdialog geschehe nun exakt das, „was versprochen wurde: Alle Veränderungen, die möglich sind, werden geprüft. Danach sind die Projektpartner dran.“ Die Boykottandrohung von Leinfelden-Echterdingens Stadtoberhaupt Klenk kontert sie mit dem Hinweis, dass es „fahrlässig“ sei, „die außerordentlich konstruktive Arbeitsatmosphäre so zu zerreden“.