Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht in dem Verfahren einen ganz normalen und juristisch unzweifelhaften Vorgang, so die Pressestaatsanwältin Claudia Krauth. Der Beschuldigte sei der versuchten Nötigung verdächtigt worden. Er habe erreichen wollen, dass Firmen ihre Aufträge nicht weiter ausführen. Um Beweismittel zu beschlagnahmen, sei die Wohnung durchsucht worden. Vor solch einer Maßnahme werde ein Beschuldigter niemals angehört, sonst habe dieser ja Gelegenheit, Sachen verschwinden zu lassen. Und da sich die Polizei auch nicht vorher anmelde, müsse eine Wohnung eben auch mal aufgebrochen werden, wenn niemand da sei.

 

Als verhältnismäßig wird die Durchsuchung auch vom Amtsgericht Stuttgart bewertet, das den Beschluss am 19. Oktober 2010 verfügt hat. „Es hat der Verdacht einer versuchten Nötigung bestanden“, erklärt ein Gerichtssprecher auf Anfrage. Rechtsanwalt Kugler dagegen, der erst im Januar, fast drei Monate nach der Durchsuchung, Einsicht in die Akten erhielt, hält die Aktion für „äußerst grenzwertig“. Der Vorwurf der versuchten Nötigung sei seiner Ansicht nach „juristisch nicht haltbar“, das Vorgehen der Justiz sowie der Polizei bewertet Kugler als vollkommen unverhältnismäßig. Man habe „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“. Für Kugler steht fest: „Wäre der Briefeschreiber ein unzufriedener Baumarktkunde gewesen, wäre es niemals zu einem Ermittlungsverfahren gekommen.“

Ihren Widerstand gegen Stuttgart 21 wollen die Cramers auch nach dieser für sie unerfreulichen Erfahrung unvermindert fortsetzen. Das Ermittlungsverfahren ist zwischenzeitlich eingestellt worden, wegen Geringfügigkeit, wie es juristisch heißt. Die meisten Firmen hätten dem Schreiben keine Bedeutung beigemessen, sagt Claudia Krauth. „Damit besteht kein öffentliches Interesse, die Sache noch weiter zu verfolgen.“