Die Parkbesetzer wollen den Widerstand gegen Stuttgart 21 aufrechterhalten und ihre Zelte im Stuttgarter Schlossgarten nicht räumen.      

Stuttgart  - „Wir gehen hier nicht weg!“ Sabine Angerbauer stemmt die Hände in die Hüfte. Dann lacht sie. Seit Monaten protestiert die 32-jährige Mutter gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Jetzt aufzugeben, obwohl das Projekt noch nicht gekippt ist - das kommt für sie nicht in Frage. Die Ankündigung von Aktionsbündnis und aktiven Parkschützern, die Zelte würden abgebaut, stuft sie knapp als „voreilig“ ein. Die Zahl der Camper sei in den vergangenen vier Wochen noch um 20 gewachsen, auf inzwischen 50 bis 60. Sie wollen trotz des Regierungswechsels die Fahne hoch halten. 26 Zelte stünden im Stuttgarter Schlossgarten.

 

Abgebaut wurde bisher nur die Umfriedung um die Zelte - weil sie am Wochenende versteigert werden soll. Wie es zu dem Missverständnis kommen konnte? „Einige waren so naiv und haben den Baustopp tatsächlich geglaubt. Aber nicht mit uns. Wir wurden schon zu oft veräppelt“, sagt Peter Radom. An mehreren Ecken werde weiter gebaut.

Der 53-jährige Familienvater ist mittlerweile zu einer Art Sprecher der Parkbesetzer avanciert. Beifall gibt es für ihn von der Bank zwischen den Zelten: Zwei blaue Punkfrisuren wippen zustimmend, und auch der Arbeitnehmer aus Ostdeutschland nickt eifrig. Er hat Urlaub, nur deshalb sitzt er am Mittwoch hier. Sonst fährt er jeden Morgen vom Zelt zur Arbeit.

Aktionsbündnis hofft auf Abzug der Parkbesetzer

Ein starkes Team sei in der Zeltstadt entstanden, sagen die fünf. „Wir haben hier eine Sozialgemeinschaft, wie es sie überall geben sollte“, schwärmt Radom. Obdachlose seien hier genauso integriert, wie Selbstständige, der fest im Leben stehe. Das gemeinsame Ziel eint. Da verzichtet man auch bereitwillig auf einiges. „Sicher würde ich auch gern mal wieder zu Hause in meinem Bett schlafen“, sagt Radom. Seit rund sieben Monaten sehe er seine Frau nur rund einmal im Monat. Aber die Sache sei es wert.

Oft würden sie von Spaziergängern und Mitstreitern ermuntert, berichtet Angerbauer. „Nee, Ihr bleibt hier!“, sei eine häufige Rückmeldung. Viele hätten zu ihnen gesagt: „Wenn Ihr geht, haben wir hier ruckzuck eine Baugrube.“ Das hätte ihnen jetzt den Rücken gestärkt. Hin und wieder müssten sie sich aber auch beschimpfen lassen. Wenn die Mülleimer nach Ostern überquellen, werde es schnell ihnen angelastet. „Deshalb wäre es schön, wenn die Stadt sie bald mal leeren könnte“, macht die 32-Jährige deutlich. Sie wollten nicht, dass ihr Zeltplatz zum Dreckloch werde.

Wie es zu der falschen Ankündigung über die vermeintlich Räumung der Zeltstadt kommen konnte, erklärt Irmela Neipp-Gereke vom Dachverband „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“ mit einem Stimmungswandel. „Die Stimmung war vor einigen Wochen noch so, dass mehrere gesagt haben, sie würden den Park verlassen“, berichtet sie. Einzelne seien damals auch gegangen.

Doch dann sei aus der Bevölkerung der Wunsch gekommen, dass der Widerstand sichtbar bleiben sollte und die Zelte stehen bleiben müssten. Das Aktionsbündnis habe Verständnis dafür, dass die Parkbesetzer in ihrer Zeltstadt bleiben wollten. Trotzdem sei es ihre Hoffnung, die Zelte nach und nach zu reduzieren. Im Mai solle auf jeden Fall neuer Rasen im Park angepflanzt werden - zur Not eben um die Zelte herum.