Dass Verkehrsminister Hermann plötzlich die Projektpartner von Stuttgart 21 vereinen will, ist erstaunlich. Doch das Grundproblem auf den Fildern bleibt, meint StZ-Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Bei Stuttgart 21 hat man ja schon manche Überraschung erlebt, nun hat Verkehrsminister Hermann beschlossen, der wechselvollen Geschichte des Projekts ein weiteres Kapitel anzuhängen. Es könnte, je nach Betrachtungsweise, drei unterschiedliche Überschriften tragen. Möglichkeit eins (die Gegner-Variante): „Der Umfaller“. Möglichkeit zwei (die Befürworter-Variante): „Endlich, er bewegt sich doch“. Möglichkeit drei (die grüngefärbte Ministeriums-Variante): „Winne, der Retter des Flughafenbahnhofs“.

 

Der Wahrheit am nächsten käme wohl eine Mischung aus den ersten beiden Alternativen. Dass Hermann kaum dreieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt als Verkehrsminister und der noch zuvor von ihm formulierten Erkenntnis, dass die Antragstrasse der Bahn auf den Fildern „Murks“ sei, die Projektpartner an den Tisch holt, um ernsthaft über neue Trassenvarianten zu diskutieren, ist eine Abkehr von seiner bisherigen Haltung. Die war geprägt von Schauveranstaltungen (Filderdialog ohne Mandat der Teilnehmer, wirklich etwas verändern zu können) und dem Mantra, dass die Bahn als Bauherrin von S 21 alleine für ihre Pläne und deren Realisierung verantwortlich sei. Als Vertreter des Landes sei er ja nur ein an den Kostendeckel gebundener Cofinancier.

Eine neue Initiative im Vorfeld des Wahlkampfs

Warum Hermann ausgerechnet jetzt, kaum vier Wochen nach seiner Ankündigung, bei der nächsten Landtagswahl für die Grünen im Stuttgarter Filderwahlkreis anzutreten, mit neuem Elan in die Diskussion um den Filderbahnhof einsteigt, ist leicht zu durchschauen. Er will eine Win-Win-Situation schaffen: Wenn später eine der neuen Varianten zum Tragen kommt, könnte er sich zum Initiator der Verbesserung stilisieren. Scheitern die Verhandlungen, kann er zumindest sagen, dass er alles probiert habe, um die verfahrene Situation zu retten. Auf die Art, so sein offensichtliches Kalkül, lässt es sich gut in die Wahlkampfsaison starten. Ob damit aber die wahren Probleme bei der Anbindung der Filder an den Tiefbahnhof und die Neubaustrecke gelöst werden, ist vollkommen ungewiss.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist in der Tat dringend notwendig, dass die Projektpartner endlich ernsthaft miteinander reden anstatt nur immer gegeneinander zu polemisieren. Die Varianten, die jetzt zusätzlich auf dem Tisch liegen, bergen aber allesamt neue Schwierigkeiten, ohne die alten vollständig zu beheben. Geprüft werden also lauter suboptimale Lösungen. Bis die beste davon gefunden ist, werden Wochen oder Monate ins Land gehen. Erst danach wird man sehen, welche Konsequenzen das für den Zeit- und den Kostenplan hat. Übrigens: das Gesamtprojekt Stuttgart-Ulm soll Ende 2021 in Betrieb gehen, inklusive des wie auch immer gestalteten neuen Flughafenbahnhofs.