Nils Schmid fordert einen Baustopp, gestattet aber gleichzeitig das Bauen im Schlossgarten. Das bringt die Gegner auf die Barrikaden.

Stuttgart - Das vom SPD-Landesvorsitzenden Nils Schmid geführte Finanzministerium hat acht Jahre nach der ersten Vereinbarung mit der Deutschen Bahn den Gestattungsvertrag für die Nutzung von Landesflächen für Stuttgart 21 unterschrieben. Damit ist der Konzern frei in seiner Entscheidung, im Schlossgarten sofort bauliche Fakten zu schaffen. Die Unterzeichnung hatte der Leiter des Kommunikationsbüros für S 21, Wolfgang Dietrich, in einem Interview bestätigt. Über die Höhe der Entschädigung wollte das Finanzministerium keine Angaben machen.

 

Für die Projektgegner steht fest, dass die SPD damit den Koalitionsvertrag gebrochen hat. "Das Verhalten von Minister Schmid widerspricht allem, was man sich unter korrekter Verhandlungsführung vorstellt", sagte die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen S 21, Brigitte Dahlbender. "Das ist ein Affront gegen die Menschen, die sich darauf freuen, dass es endlich auch in Baden-Württemberg eine echte Bürgerbeteiligung geben wird." Schmid wolle wohl vor der Volksabstimmung Tatsachen schaffen. Matthias von Herrmann, Sprecher der Parkschützer, verwies auf die Passage im "Ehe-Vertrag" zwischen SPD und Grünen, wo diese gemeinsam die Erwartung formulierten, die Bahn möge den Bau- und Vergabestopp bis zurVolksabstimmungverlängern. VonHerrmann sagte, wenn die Landesregierung die Bürger fragen wolle, "ob sie aus der verfassungswidrigen Finanzierung des Tunnelbahnhofs aussteigen soll", dürften nicht gleichzeitig Fakten geschaffen werden, die den Weiterbau von Stuttgart 21 förderten.

Das Zeltdorf soll nicht geräumt werden

Bei den Grünen ist die Verärgerung groß; nach StZ-Informationen waren die Verantwortlichen nicht informiert. Sie hätten, so heißt es, ihre Zustimmung versagt, da mit der Gestattung auch die gemeinsame Strategie, die Bahn vom Weiterbauen abzuhalten, ad absurdum geführt werde. Die Bahn kündigte auch prompt an, im Schlossgarten Rohre zu verlegen - ohne aber gleich das von Projektgegnern bewohnte Zeltdorf räumen zu wollen. Auch hat die Regierung mit der Gestattung ein wichtiges Druckmittel aus der Hand gegeben, das geeignet gewesen wäre, die eigene Position in Verhandlungen mit dem Bauherren Deutsche BahnAG zu stärken.

Dabei beklagen SPD und Grüne ständig, dass die Bahn ihren Informationspflichten nicht nachkomme und Projektrisiken für sich behalte. Bis heute ist dem Verkehrsministerium entgegen den Forderungen ein Risikopapier des Ex-Projektleiters Hany Azer nicht vorgelegt worden. Dies ist auch nicht bei der nächsten Lenkungskreissitzung am 23. September zu erwarten, weshalb sich der Bahnchef Rüdiger Grube von Seiten des grünen Teils der Regierung einem Vorwurf ausgesetzt sieht, den er selbst erhebt: nämlich, dass der Partner gegen die Projektförderpflicht verstoße.

Die Protagonisten hielten den Ball flach

Im Umfeld von Winfried Kretschmann heißt es jedenfalls, der Ministerpräsident fühle sich düpiert. Am Freitag war Kretschmann noch mit der Aussage zitiert worden, die Bahn dürfe bis zur Volksabstimmung Ende November "keine unumkehrbaren Fakten schaffen". Damit war in erster Linie der Südflügel gemeint. Dass sein Vize der Bahn gleichzeitig einen Persilschein fürs Weiterbauen in der ebenso sensiblen Nachbarschaft ausstellt, dürfte Kretschmann - nach dem Treffen von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel mit der CDU-Spitze wegen des Wahlkampfs für die Volksabstimmung - erneut nicht gefallen haben.

Die Protagonisten hielten den Ball flach. Ingo Rust, der Staatssekretär im Finanzministerium, wies die Kritik der Stuttgart-21-Gegner allerdings deutlich zurück. Im Koalitionsvertrag sei nur die Rede davon, dass vor der Volksabstimmung keine neuen Tatsachen geschaffen werden sollten, die dem Ausgang der Abstimmung widersprechen könnten. Mit der Errichtung des Grundwassermanagements würden aber keine unumkehrbaren Fakten geschaffen. Auch Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet betonte diesen Umstand.

Dass das Land nicht mehr verhindern kann, dass die Bahn im Schlossgarten irreversible Baumaßnahmen vornimmt, wenn diese das wollte, räumte Hoogvliet ein. Damit sei aber nicht zu rechnen. Die Bereitschaft der Bahn, den Südflügelabriss zu verschieben, unterstreiche den guten Willen des Konzerns, die gemeinsam von Grünen und SPD erhobene Forderung zu erfüllen.