Exklusiv Von April an verhandeln die Bahn und das Land darüber, wer in welcher Höhe die prognostizierten zwei Milliarden Euro Mehrkosten trägt, die bei Stuttgart 21 entstanden sind. Land, Region und Stadt Stuttgart haben eine solche Beteiligung bisher strikt abgelehnt.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Die Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Bahn und dem Land Baden-Württemberg über die Finanzierung von Stuttgart 21 geht in die nächste Runde: Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hat der für das Risiko und Vertragsmanagement verantwortliche Geschäftsführer der S-21-Projektgesellschaft, Peter Sturm, in einem Brief an das Landesverkehrsministerium Gespräche über die Verteilung der ermittelten Mehrkosten bei dem umstrittenen Milliardenprojekt eingefordert. Zum Auftakt der Verhandlungen soll Sturm zwei Terminvorschläge unterbreitet haben: den 1. April und den 12. Mai 2014.

 

Auf StZ-Anfrage bestätigte S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich am Wochenende den Vorgang: „Die Bahn hat schriftlich um zwei Sondierungsgespräche gebeten und hierfür Terminvorschläge gemacht. Der erste Termin im April ist vom Land bestätigt. Für den zweiten findet zurzeit eine terminliche Abstimmung statt.“

Auch im Verkehrsministerium ist das Schreiben bekannt. „Die Bahn hat dieses Ansinnen an uns herangetragen“, bestätigte der Sprecher des Hauses, Edgar Neumann. Bereits bei der letzten Lenkungskreissitzung im Herbst vorigen Jahres, bei der alle Projektpartner anwesend gewesen seien, habe Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer dem Verkehrsminister Winfried Hermann diesen Brief angekündigt. „Jetzt ist er angekommen“, so Neumann.

Die Obergrenze ist längst überschritten

Damit hat die Bahn die sogenannte Sprechklausel im Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 aus dem Jahr 2009 auch faktisch gezogen. Der Passus sieht vor, dass die Bahn und das Land über die Verteilung jener Kosten sprechen werden, die oberhalb des im Vertrag festgesetzten Höchstbetrags liegen. Dieser beträgt laut Vertrag exakt 4,526 Milliarden Euro. Nachdem offiziell wurde, dass diese auch dem Volksentscheid zu Stuttgart 21 zugrunde liegende Summe erheblich überschritten werden würde, hat der Aufsichtsrat der Bahn im März 2013 weitere zwei Milliarden Euro für das Projekt bewilligt – verbunden allerdings mit der Auflage, dass der Vorstand des Staatskonzerns alle juristischen Mittel ausschöpfen müsse, um auch von den Partnern einen höheren Finanzierungsanteil zu erreichen als bisher vertraglich vorgesehen. Diese Möglichkeit ist in Paragraf 8, Absatz 4 des  Finanzierungsvertrags verankert: der Sprechklausel.

Die Vertragspartner stehen sich in dieser Frage jedoch unerbittlich gegenüber. Während die Deutsche Bahn davon ausgeht, dass anfallende Mehrkosten beim Bau des Tiefbahnhofs und seiner unterirdischen Tunnelstrecken zwischen Feuerbach und Flughafen ein Problem sei, dem sich alle Beteiligten widmen müssten, verweisen die weiteren Projektbeteiligten – Land, Stadt Stuttgart und Verband Region Stuttgart – auf Beschlüsse ihrer Gremien, die eine zusätzliche Belastung ausschließen. Stuttgarts OB Fritz Kuhn erinnert in diesem Zusammenhang etwa daran, dass bei der Übernahme von Mehrkosten der Gemeinderat einen Bürgerentscheid für nötig erachte. Bislang beteiligt sich das Land mit 930 Millionen Euro an Stuttgart 21, die Stadt schultert (neben dem Grunderwerb und Zinsverzicht) 292 Millionen Euro, der Verband Region Stuttgart steuert 100 Millionen Euro bei.

Das Land ist auf die Argumente der Bahn gespannt

„Die Position des Landes ist völlig klar: Es gibt keinen Cent mehr als in der Finanzierungsvereinbarung vorgesehen“, betonte Ministeriumssprecher Edgar Neumann am Sonntag nochmals. Man sei allerdings darauf gespannt, „welche Argumente die Bahn in die Diskussion einbringt“. Neumann erinnerte daran, dass Volker Kefer bereits vor dem Aufsichtsratsbeschluss der Bahn im März 2013 angekündigt habe, dass der Konzern eine weitere Milliarde Euro selbst aufbringen werde. Dies sei seinerzeit verbunden gewesen mit dem Eingeständnis, dass die Bauherrin selbst die Verantwortung für einen wesentlichen Teil der Mehrkosten an dem Projekt trage.

Tatsache ist freilich auch, dass die Bahn diese Zusage längst wieder revidiert hat – dem Vernehmen nach, um die eigene Verhandlungsposition in den nun anberaumten Sondierungsgesprächen nicht zu schwächen. Dennoch geht man bei der Bahn ebenfalls davon aus, dass die Verhandlungen mit dem Land ergebnislos bleiben. Beide Parteien rechnen offensichtlich damit, dass die Angelegenheit nur juristisch geklärt werden kann – Ausgang offen, Dauer ebenso.