Ende September wird es ernst: Dann diskutieren Experten, Befürworter und Gegner erneut über Stuttgart 21. Mehr als 5500 Einwendungen gegen die Planung des Filderabschnitts durch die Bahn sind vorgebracht worden. Doch es wird auch um den Tiefbahnhof gehen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Ende September wird es ernst: Dann diskutieren Experten, Befürworter und Gegner auf den Fildern erneut über Stuttgart 21. Mehr als 5500 Einwendungen gegen die von der Bahn vorgelegte Abschnittsplanung mit dem Kürzel 1.3 sind vorgebracht worden. Der sogenannte Erörterungstermin findet vom 22. September an in der Landesmesse statt. Es sind zehn Verhandlungstage vorgesehen – verbunden mit der Möglichkeit, die Beratungen um drei Tage zu verlängern.

 

Obwohl es bei der Diskussion um den Abschnitt zwischen dem Fildertunnel und dem östlichen Ende des Flughafenareals, die Anbindung des Flughafens sowie den Bau einer Verbindungskurve beim Stadtteil Rohr gehen soll, wollen S-21-Gegner nochmals den Fokus auf den Tiefbahnhof in der Stadt richten. Für manche wird der Termin denn auch zum Déjà-vu-Erlebnis. Christian Becker zum Beispiel, beim Regionalbereich Südwest der Bahn für Fahrpläne und den Vertrieb verantwortlich, wird sich einmal mehr mit dem Vorwurf befassen müssen, der geplante Durchgangsbahnhof in der Innenstadt sei weniger leistungsfähig als der bestehende Kopfbahnhof. Genau das behauptet ein Gutachten, mit dem Projektkritiker hoffen, die Planung aushebeln zu können. Der Physiker Christoph Engelhardt, Initiator der Internetplattform wikireal.org, hat die Stellungnahme für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verfasst.

Bahn legt ihr Dokument in der nächsten Woche vor

Gut 100 Seiten dick ist dagegen jenes Dokument, das die Bahn kommende Woche dem Regierungspräsidium (RP) übergeben wird und aus dem hervorgehen soll, dass die während der Schlichtung und dem Stresstest zu Grunde gelegten Zugzahlen richtig sind. Bei Becker macht sich so etwas wie Ernüchterung breit. Man habe damals vereinbart, dass diese Ergebnisse durch einen von den Projektgegnern benannten Gutachter bewertet werden und dessen Votum von beiden Seiten akzeptiert werde. Umso erstaunlicher sei es für ihn, dass nun dieses Thema abermals aufgerufen werde. Das RP, das die Erörterung organisiert, komme daran aber nicht vorbei. Jeder vorgebrachte Einwand müsse auch abgearbeitet werden.

Becker nennt die Vorteile, die der Durchgangsbahnhof habe: So könnten die Züge die Verzweigungen vor den Bahnsteigen schneller durchfahren als beim Kopfbahnhof, wo spätestens einen Kilometer vor dem Prellbock ein Tempolimit von 40 Kilometer in der Stunde gelte. Die beiden zentral gelegenen Gleise im Durchgangsbahnhof hingegen könnten deutlich länger mit bis zu 100 Kilometer in der Stunde befahren werden. Auch sei der Betriebablauf klarer strukturiert. Als Beispiel führt Becker den ICE an, der von Mannheim kommend nach Ulm fährt. Um sich bei der Ankunft durchs Gleisvorfeld zu schlängeln, braucht der Zug 2,7 Minuten, die Ausfahrt schlägt mit 1,5 Minuten zu Buche. In dieser Zeit blockiere der Zug auch nicht von ihm selbst benutzte Gleise. Im Tiefbahnhof seien hingegen ein- und ausfahrende Züge sauber von einander getrennt.

S-21-Kritiker Engelhardt hält den Stresstest für fehlerhaft

Christoph Engelhardt mag das nicht gelten lassen. „Die Bahntechnik, die im Tiefbahnhof 49 Züge in der Stunde hinbekommt, muss erst noch erfunden werden“, sagt er. Es seien nicht mehr als 32 Züge möglich. „Es wird spannend sein zu sehen, wie die Bahn argumentiert“, erklärt der Physiker, der für den BUND an der Erörterung teilnehmen wird. Den Stresstest hält er für fehlerbehaftet – und schlicht nicht relevant. „Entscheidend ist, was in den Planfeststellungsbeschlüssen steht“. Die ursprünglich 50 Kritikpunkte am Stresstest habe er in Diskussionen mit dem Verkehrsministerium „auf 14 eingedampft, wovon mehr als die Hälfte leistungsrelevant sind, die dem neuen Bahnhof also Kapazitäten zubilligen, die der nicht hat“. All das müsse bei der Erörterung diskutiert werden und könnte wohl abermals ein Fall für die Gerichte werden. „Der BUND hat Klagerecht und wir haben uns auch schon einen Anwalt gesichert“, sagt Engelhardt.

Wolfgang Dietrich, Sprecher des Bahnprojekts, nimmt es gelassen. Mehrfach sei mit der Begründung fehlender Leistungsfähigkeit gegen den Durchgangsbahnhof geklagt worden, „allerdings stets ohne Erfolg“.