Obwohl die Referenten der DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm bei der jüngsten Bürgerinformationsveranstaltung Kernerviertel viele Fragen klären konnten, bleiben Feinstaub und Lärm bleiben dort ein Thema.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Bei der ersten Infoveranstaltung, die die Bahn vor einigen Jahren über die Auswirkungen von Stuttgart 21 im Kernerviertel veranstaltet hat, waren die Referenten noch von Sprechchören niedergeschrien worden. Am Mittwochabend ging es im Stuttgarter Rathaus deutlich gesitteter zu. Dennoch: Ganz ist dem Frieden auf beiden Seiten nicht zu trauen: Während sich die betroffenen Anwohner den einen oder anderen Zwischenruf nicht verkneifen konnten, hat die Bahn mit einem Fotografie- und Tonaufnahmen-Verbot keine unbedingte Transparenz bewiesen. Am Ende der dreieinhalbstündigen Veranstaltungen konnten einige, aber nicht alle Fragen geklärt werden.

 

So lieferte die Bürgerinformationsveranstaltung Kernerviertel seitens der DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm eine detaillierte Faktenfülle, um die im Vorfeld von der Bürgerinitiative Netzwerk Kernerviertel formulierten Fragen zu beantworten. Auch wenn offensichtlich nicht jeder im Publikum mit Wortungetümen wie „Baufeldfreimachungsaktivitäten“ oder „Juchtenkäferverdachtsbäume“ sehr glücklich war, konnten die Vorträge der Verantwortlichen und Sachbeauftragten den Bürgern doch einige Ängste nehmen und einige Befürchtungen aus der Welt räumen.

Bohrpfähle statt Rammpfähle

Michael Pradel, der technische Projektleiter am Hauptbahnhof, stellte klar, dass künftig Bohrpfähle vor dem Bonatz-Bau zum Einsatz kommen. „Das reduziert den Lärm, sorgt aber auch dafür, dass wir langsamer vorankommen“, sagte er, weil die Bohrpfeiler deutlich dicker seien. Grund für den Umstieg sei die Beschaffenheit des Bodens.

Gleichzeitig befürchtete das Netzwerk Kernerviertel eine belastende Lärmentwicklung durch die anstehenden Bauarbeiten an der Schillerstraße. „Die Bahn versucht, die Arbeit in die Tagstunden zu verlegen, so wie das eben möglich ist“, versicherte Pradel.

Häuser werden angehoben

Ein andere Baustelle, von der das Kernerviertel künftig besonders betroffen sein wird, ist der Fildertunnel. Günther Osthoff ist bei der DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm für das Projekt verantwortlich und kündigte die Bohrmaschine an, die sich dem Viertel im nächsten Jahr nähert und dann den Fildertunnel direkt unter den Häusern durchbohrt. „Darum müssen wir Hebungsinjektionen machen“, sagte Osthoff. Was riskant klinge, sei ein Verfahren, das sich seit 18 Jahren bewährt habe und beispielsweise beim Bahnhof in Amsterdam oder oder beim Kaufhof in Düsseldorf erfolgreich angewendet wurde.

Feinstaubgrenzwerte überschritten

Dabei könne es dazu kommen, dass die Häuser um einige Zentimeter angehoben werden. „Das ist aber kein Problem“, sagt Osthoff. Um eine gleichmäßige und bedenkenlose Anhebung zu gewährleisten, müsse die DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm Schlauchwaagen in den Kellern der unterbohrten Häuser installieren. „Zu gegebener Zeit werden wir Mieter und Eigentümer informieren“, sagte Osthoff weiter.

Eine weniger eindeutige Präsentation hatte der Immissionsschutzbeauftragte Achim Lohmeyer zu bieten. Seine – vorläufigen – Messergebnisse zeigten, dass die Feinstaubgrenzwerte häufig überschritten werden. Das zeige eine Messstelle am Urbanplatz. „Allerdings ist nicht klar, ob die Staubbelastung von der Baustelle oder vom Verkehr kommt“, sagte Lohmeyer. Ein Zwischenruf: „Würden Sie Ihre Enkelkinder dort spielen lassen?“ Lohmeyer bejahte, der Fragensteller glaubte ihm nicht.

Thema Nacharbeiten

Für einige der Besucher waren die Vorträge der Bahn „Frontalunterricht“. Für Frank Schweizer vom Netzwerk Kernerviertel war vor allem unbefriedigend, dass bei den Lärmmessungen von den Referenten Durchschnitts- und keine Tagesspitzenwerte ins Feld geführt wurden „Außerdem werden die nächtlichen Bauarbeiten übergangen“, sagte Schweizer.

Auch in der anschließenden Fragerunde waren die Nachtarbeiten ein großes Thema: Eine Anwohnerin schilderte, dass sie nachts aufgrund von Lärm und Vibrationen nicht schlafen könne – wohl ausgelöst durch eine Tunnelbewässerungs- und eine Lüftungsanlage. Die Bahnexperten hatten darauf keine Antwort parat.

Kein Ende in Sicht

Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, plädiert darum dafür, die Idee erneut zu prüfen, eine Spur der Konrad-Adenauer-Straße Richtung Neckartor zu sperren, um so mehr Bauarbeiten tagsüber verrichten zu können. „Die Anwohner müssen spüren, dass sie ernst genommen werden“, sagte Kienzle.

Auch darüber, wie lange das Kernerviertel noch durch S 21 belastet sein wird, blieb die Bahn eine Antwort schuldig. Aber es war ja auch nicht der letzte Informationsabend.