Die Kluft ist tief zwischen SPD und Grünen. Beide sehen sich von der neuen Kostenrechnung bestätigt - allerdings mit unterschiedlichem Ergebnis.  

Stuttgart - Die Kluft ist tief. "Schlüssig" und "nachvollziehbar" nennt Ingo Rust die Zahlen, welche die Bahn am Freitag bei der Sitzung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21 vorgelegt hat. Rust ist SPD-Politiker. Als Staatssekretär im Finanzministerium gehört er dem Lenkungskreis an. Von einem "deutlichen Dissens" mit der Bahn spricht hingegen Winfried Hermann. Er ist der Verkehrsminister. Er ist ein Grünen-Politiker.

 

Es steht nicht so richtig gut um die grün-rote Koalition in Stuttgart. Das hat mancherlei Gründe, aber Stuttgart 21 ist der wichtigste. Sicher, es gibt im Dauerkonflikt um dieses Projekt auch Konsens im Dissens zwischen beiden Parteien. Winfried Hermann zählt zwei Gemeinsamkeiten auf: Grüne und SPD sind für die Volksabstimmung, beide Parteien wollen das Projekt nicht um jeden Preis - 4,5 Milliarden Euro ist die Obergrenze, das hat das Kabinett jüngst in großer Einmütigkeit formell beschlossen. Ingo Rust weiß noch einen dritten: "Wir wollen volle Kostentransparenz." Und noch einen vierten: "Die Mehrkosten, die aus der Schlichtung resultieren, gehören zu den Projektkosten." Das bedeutet, dass die zusätzlichen Ausgaben, die von Schlichter Heiner Geißler verfügt wurden, nicht ausgegliedert werden dürfen. Wenigstens darin sind sich SPD und Grüne und übrigens auch OB Wolfgang Schuster einig.

Kluft zwischen den Koalitionsparteien

Und doch trennt die beiden Koalitionsparteien eine Kluft, von der man nicht weiß, wie sie auf Dauer zu überbrücken ist. Am Freitag hat Verkehrsminister Hermann erneut von der Bahn genauere Angaben zu den Kosten verlangt. Schon lange verkünden er und seine Grünen, die Kostengrenze für Stuttgart 21 sei erreicht, wenn nicht schon überschritten. Das Ausstiegsgesetz, mit dem die Finanzierungsvereinbarung zu Stuttgart 21 gekündigt werden soll, geht ja gerade von diesem Szenario aus. Hermann hat den Gesetzentwurf höchstpersönlich in den Landtag eingebracht und mit Verve verteidigt.

Selbst wenn der Verkehrsminister das wollte: Von dieser Position käme er nicht mehr herunter, selbst wenn die Bahn in allerschönster Transparenz darlegen könnte, dass die Projektkosten unterhalb der Schwelle von 4,5 Milliarden Euro blieben. Hermann ist festgelegt, da kann die Bahn machen, was sie will. Zugleich stellt der Verkehrsminister klar, dass die Luft im Falle eines Sieges der Projektbefürworter bei der Volksabstimmung dünn bleibt: "Wenn die Volksabstimmung sagt, wir wollen dieses Projekt, aber dann kostet es fünf Milliarden Euro, dann haben wir ein Finanzierungsproblem." Friede, Freude, Eierkuchen wird es nicht geben. Die Grünen sind fest entschlossen, bei einem Weiterbau jede Chance zu nutzen, die ihnen die Gelegenheit für den Nachweis bietet, sie hätten mit ihren Bedenken doch Recht gehabt.

Innerparteiliche Lage prekär

Das wird der SPD nicht gefallen. Doch bei den Sozialdemokraten ist die innerparteiliche Lage prekär. Die eine Hälfte der Partei ist für Stuttgart 21, die andere dagegen. Die Parteispitze ist dafür. Deshalb verkündete SPD-Fraktionschef Schmiedel am Freitag - der Lenkungsausschuss hatte noch gar nicht richtig mit seinen Beratungen begonnen: "Die neue Kostenschätzung ist eine Punktlandung." Und: "Die befürchtete Kostenexplosion findet nicht statt." Sein Parteifreund Ingo Rust hatte zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Gelegenheit, die Kostenberechnungen der Bahn kritisch zu prüfen. Aber was soll's, Schmiedel ist wichtig, rechtzeitig an der Nachrichtenbörse notiert zu werden. Die Zahlen der Bahn akzeptiert er. Der Unterschied zwischen SPD und Grünen, so sagt ein Sozialdemokrat, liege eben darin, dass die einen der Bahn Vertrauen entgegen bringe, die anderen aber nicht.

Die andere Frage ist, ob sich SPD und Grüne bei Stuttgart 21 gegenseitig vertrauen. Sagen mag das offiziell keiner so deutlich, doch die Antwort lautet nein.