Die Polizei rechnet nach der Volksabstimmung mit verstärkten Protesten am Hauptbahnhof - und sucht nach Hotelbetten für ihre Einsatzkräfte.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Um Weihnachten herum könnte wie einst in biblischen Zeiten die Suche nach einer Übernachtungsstätte in der Stadt schwierig werden. Das verkünden Stuttgart-21-Gegner auf der Internetseite der Parkschützer, und sie kennen auch den Grund: Die Polizei soll rund 600 Zimmer reserviert haben für zusätzliche Einsatzkräfte. Die Beamten aus anderen Landesteilen könnten nach dem Volksentscheid am 27. November gebraucht werden, wenn es zu starken Protesten kommen sollte, falls die Bahn an dem umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 weiterbaut. Das Baurecht hat sie unabhängig vom Ausgang der landesweiten Abstimmung. Dann würden die zusätzlichen Polizisten gebraucht, um die Bauarbeiten zu schützen und um Demonstrationen zu sichern, mit denen zu rechnen wäre.

 

Zimmer sind in der Messestadt rar

Von Zimmerbuchungen spricht Stefan Keilbach noch nicht. Allerdings bestätigt der Pressesprecher der Polizei, man "strecke schon mal die Fühler aus, um nach Übernachtungsmöglichkeiten für die Beamten zu suchen, das ist schließlich am Messestandort Stuttgart nicht so einfach." In welcher Zahl die Polizisten kommen und ob sie überhaupt anrücken, dazu will Keilbach sich noch nicht äußern. Das hänge schließlich von den Bautätigkeiten der Bahn und von der Reaktion der Projektgegner auf das Ergebnis des Volksentscheids ab. "Wir haben von der Bahn noch keine Signale bekommen, was sie plant", sagt Keilbach und widerspricht damit Gerüchten, wie sie von Projektgegnern im Internet zu lesen sind. Dort heißt es, dass die Zimmerbuchungen der Polizei bedeuten, dass die Bahn auf jeden Fall im Dezember den Bahnhofsbau voranbringen wolle. Es gehe bei den Anfragen nach Schlafplätzen zurzeit nur darum, die Kapazitäten in der Stadt zu erheben, sagt der Polizeisprecher. "Früher gab es einfach Feldbetten in einer Turnhalle. Aber das geht ja nicht mehr", so Keilbach.

Die Projektgegner überrascht es nicht, dass die Polizei sich auf weitere Einsätze vorbereitet. "Damit haben wir eigentlich gerechnet", sagt Matthias von Herrmann, der Sprecher der Parkschützer, in deren Forum über die Zimmerreservierungen diskutiert wird. "Wenn die Bahn an den Südflügel geht, kommen die Leute sicher wieder", sagt von Herrmann über das Protestpotenzial. Der Schlossgarten sei wohl erst nach dem Abriss des Seitenbaus in Gefahr, falls die Arbeiten am Grundwassermanagement (GWM) weitergehen würden und infolge dessen Bäume fallen sollten. Für das GWM herrscht zurzeit ein vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim verhängter Baustopp nach einer Klage des BUND.

Wahlwerbung beschäftigt die Gegner

Allerdings sei der Blick der Projektgegner - der Parkschützer und des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, zu dem die Organisation auch gehört - noch nicht auf die Zeit nach dem Volksentscheid gerichtet. "Es brummt im ganzen Land. Von überall kommen Anfragen nach Informationsmaterial über die Abstimmung", beschreibt der Sprecher der Parkschützer die wahlkampfähnliche Atmosphäre vor der Volksabstimmung über den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des Projekts.

Derweil ist man in der Hotelbranche offenbar guten Mutes, dass sich die Lage in der Stadt nach der Volksabstimmung beruhigen könnte. Eine Mitarbeiterin gibt offenherzig Tipps für Reservierungen: Es sei in ihrem Haus zwar ziemlich aussichtslos, im Dezember oder Januar ein Zimmer zu bekommen - aufgrund der einquartierten Polizeibeamten. Man könne aber schon mal eine Reservierungsmail schicken, für den Fall, dass die Bürger für den Ausstieg aus der S-21-Finanzierung stimmen, weil dann die Polizisten nicht kommen müssten.