Stuttgart-Hedelfingen „Filderauffahrt hat noch eine Chance“
Im Interview bezieht Steffen Bilger, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Stellung zu verschiedenen Verkehrsprojekten.
Im Interview bezieht Steffen Bilger, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Stellung zu verschiedenen Verkehrsprojekten.
Hedelfingen - Bei einer Podiumsdiskussion im Hedelfinger Waldheim hat sich Steffen Bilger, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Frühjahr über die Zukunft des Stuttgarter Hafens geäußert und auch Fragen zur Verkehrssituation in Stuttgart kurz beantwortet. In einem Interview mit unserer Zeitung konkretisierte er nun die Aussichten für den Ausbau der Neckarschleusen, betont die Wichtigkeit der Binnenschifffahrt für die Logistikbranche in den kommenden Jahren und geht auf die Verkehrssituation in den Oberen Neckarvororten ein.
Herr Bilger, kommen wir gleich zum Thema Neckarschleusen: Was unternimmt der Bund für den Ausbau der Bundeswasserstraße Neckar?
Der Neckarausbau hat für uns große Bedeutung. Wir wollen Schwerlastverkehr von der Straße auf die Schiene und die Wasserstraße verlagern. Wenn die Neckarschleusen ausgebaut werden, bietet das großes Potenzial für zusätzliche Verlagerungen. 27 Schleusen am Neckar haben das Ende ihrer Nutzungszeit erreicht. Im Zuge der Instandsetzungen sollen die Schleusen für Schiffe bis zu 135 Meter statt derzeit 105 Meter verlängert werden. Das Projekt ist in den vordringlichen Bedarf, also der höchsten Kategorie im Bundesverkehrswegeplan aufgenommen.
Wie viel Geld wird in das Strukturprojekt fließen?
Der Bund wird nach jetzigem Stand mehr als 1,2 Milliarden Euro in das Projekt investieren.
W ie sieht der Zeitplan aus?
Leider dauern solche Projekte sehr lang, weil die Planungen sehr aufwendig sind und der Bau sehr kompliziert ist. Bei den Planungen ist zunächst eine Konzentration auf die kritischsten Bauwerke erforderlich. Ziel dabei ist es, unplanmäßige Ausfälle zu vermeiden. Wir sind mit dem Land Baden-Württemberg im Gespräch, um die Voraussetzungen für eine weitere Beschleunigung zu schaffen. Erster verkehrlicher Nutzen soll 2035 erzielt werden.
Werden beide Schleusenkammern verlängert?
Nein. Das ist nicht erforderlich und würde das Projekt nur verzögern.
Welche Rolle nimmt das Land ein?
Das Land Baden-Württemberg ist ein für uns wichtiger Partner bei dem Projekt. Wir arbeiten beim Ausbau des Neckar gut zusammen und werden beispielsweise durch das Land mit zusätzlichem Personal für die Planung unterstützt. Dabei geht es immerhin um 15 Stellen.
Welches Potenzial steckt Ihrem Ermessen nach in der Binnenschifffahrt?
Die Potenziale der Wasserstraße und des Binnenschiffs sind unter anderem mit Blick auf die aktuelle Klimaschutzdiskussion sehr groß. Die Wasserstraße verfügt über freie Kapazitäten, insbesondere für Transporte mit geringer Abladetiefe, zum Beispiel Großraum- und Schwerlasttransporte. Gerade die Region Stuttgart mit der festzustellenden starken Zunahme des Verkehrs kann noch viel stärker von Entlastungen durch die Binnenschifffahrt profitieren.
Zum Thema Autoverkehr: Stuttgart hat immer noch die Spitzenposition bei den Stickstoffoxid-Werten. Wie kann der Bund zur Verbesserung der Luft beitragen?
Für Stuttgart wie auch für alle anderen Städte mit Grenzwertüberschreitungen gibt es umfangreiche Unterstützung des Bundes. Neben bundesweit wirksamen Maßnahmen wie Software-Updates oder die Förderung alternativer Antriebe haben wir für die besonders belasteten Städte das Sofortprogramm „Saubere Luft 2017-2020“ mit einer Vielzahl verschiedener Fördermaßnahmen gestartet. Insgesamt stehen 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Unsere Maßnahmen sind auf so starke Nachfrage getroffen, dass bisher mehr als 750 Millionen Euro an Fördermitteln zugeteilt werden konnten, auch Stuttgart profitiert davon im zweistelligen Millionen-Bereich. Jetzt gilt es, die Maßnahmen auch schnell vor Ort umzusetzen.
Würden neue Straßenprojekte wie die Filderauffahrt den Kessel entlasten?
In Stuttgart verkehren 21 Prozent der Fahrzeuge, die gar kein Ziel in der Landeshauptstadt ansteuern, sondern durch die Stadt fahren müssen, weil es keine Umfahrungsmöglichkeit gibt. Daher macht es Sinn, solche Projekte anzupacken, um die Verkehrs- und Umweltprobleme Stuttgarts zu lösen und Autofahrer sowie Anwohner zu entlasten. Auch der Verband Region Stuttgart hat sich wiederholt klar dazu bekannt.
Hat die Filderauffahrt/Südumfahrung Hedelfingen noch eine Chance in die Planungen aufgenommen zu werden? Gibt’s genügend Mittel? Was müsste geschehen?
Tatsache ist: Im Rahmen der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030 hat das Land Baden-Württemberg keine Straßenverbindung zwischen dem Neckartal und den Fildern angemeldet, deshalb ist im Bundesverkehrswegeplan kein entsprechendes Projekt enthalten. Fakt ist aber auch: Das BMVI prüft nach Ablauf von jeweils fünf Jahren, ob der sogenannte Bedarfsplan zur Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans der Verkehrsentwicklung anzupassen ist. Die nächste Überprüfung wird 2021/2022 erfolgen. Von dem Ergebnis hängt ab, ob ein neuer Bedarfsplan aufgestellt wird. Für diesen könnte die Maßnahme dann zur Bewertung angemeldet werden. Außerdem gibt es in begründeten Ausnahmefällen die Möglichkeit, Einzelmaßnahmen, die nicht im geltenden Bedarfsplan enthalten sind, in die jährlichen Straßenbaupläne aufzunehmen. Voraussetzung ist die Zustimmung unseres Ministeriums auf Grundlage eines begründeten Antrags des Landes Baden-Württemberg. Wir stehen einem Antrag der Straßenbauverwaltung Baden-Württembergs offen gegenüber. Die nötigen Mittel stehen zurzeit auch zur Verfügung.
Welche Trasse ist die erfolgversprechendste?
Wie die Straßenführung konkret ausgestaltet werden könnte, wäre Gegenstand anschließender Planungsphasen. Hierbei wären alle möglichen Varianten zu untersuchen und zu bewerten.