Die Stadt lächelt. Die ganze Stadt? Noch nicht. Doch es gibt viele positive Beispiele. In unserer kleinen Serie stellen wir freundliche Menschen vor und malen uns fröhliche Gesichter dazu aus.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stutgart - Am Geldautomaten herrscht Schweigen, eisiges Schweigen. Normalerweise. Man meidet den Blickkontakt mit dem Vordermann, der im Begriff ist, Geld abzuheben, als stünde der Zahlencode in seinen Augen geschrieben. Hinschauen wäre indiskret. Deshalb entwickelt sich an diesem Ort auch kein Gespräch.

 

Umso verblüffender, als sich neulich ein junger Mann im Schalterraum umdreht und fragt: „Soll ich noch was für dich drinlassen?“ Den fragenden Blick beantwortet er mit lautem Lachen. „Ich werd’ jetzt 6500 Euro abheben“, ruft er durch den kleinen Schalterraum, lässt den Zeigefinger über den Bildschirm kreisen und drückt auf die Taste „50“. „Damit für dich auch noch was bleibt“, sagt er und schüttelt sich vor Lachen.

Ist er betrunken? Auf jeden Fall ist er anders. „Soll der Kontostand angezeigt werden?“, will der Automat wissen. „Ja“, sagt der Mann und ruft gleich darauf: „251 Euro! Das geb’ ich alles aus für . . .“ Er stockt, klappt sein Portemonnaie auf und holt ein Foto hervor. Es zeigt ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt. „Meine Tochter“, sagt der Mann, strahlt, verstaut den 50-Euro-Schein und das Foto in seinem Portemonnaie und streckt dem Wartenden seine Faust zum kumpelhaften Knuckle-Gruß entgegen. Faust tippt an Faust. Dann verlässt er den Schalterraum mit einem breiten Lächeln: „Hab’ ein schönes Leben!“ Wow!