Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Opernhaus des Jahres: Oper Stuttgart

 

Regisseur: Barrie Kosky („Macbeth“, Zürich)

Bühnen- und Kostümbildnerin: Anna Viebrock („I Puritani“, Stuttgart)

Aufführung: Karlheinz Stockhausen, „Donnerstag“ aus „Licht“ (Inszenierung von Lydia Steier am Theater Basel)

Sänger: Christian Gerhaher (unter anderem für Wozzeck an der Oper Zürich)

In Serebrennikov wie auch in Christoph Marthaler („Hoffmanns Erzählungen“) und Nicola Hümpel („Reigen“) hatte sich die Dramaturgie in der zurückliegenden Saison Widerparts gesucht, die sie braucht, um in der eigenen Bildersprache weiterhin souverän unterwegs zu sein. Alle drei legten Inszenierungen vor, wie sie der ehemals Hausregisseurin Andrea Moses nie in dem Maße gelungen sind: eigen verfasst, aber eben nicht davon besessen, eine Aktualität zu behaupten, die genau das nicht mehr ist, wenn sie überdemonstrativ daherkommt. Gut möglich, dass die Intendanz das Werbebild für die neue Spielzeit nicht von ungefähr gewählt hat: ein ganzes Großes Haus, mit lauter motivierten Leuten drin, hebt da nämlich in der Form eines Luftballons ab. Wo die Erde ist, wissen sie. Aber ein bisschen rauf wollen sie schon auch noch, wenn es geht.

Ein Pfund, mit dem man wuchern kann

Das Paradebeispiel „Salome“, eine Vorstellung, aus der die Menschen herauskamen, als hätten sie jeweils gerade frisch gelernt, das Wort Oper zu buchstabieren, lehrt im Übrigen, dass die Guten oft sehr nahe liegen, beziehungsweise arbeiten. Auf die Schnelle ersatzhalber gebucht wurde da nämlich der Coburger Opernchef Roland Kluttig, auf dessen „Parsifal“ in dieser Saison (in Coburg!) man gespannt sein darf. Kluttig ist ein Stuttgarter Gewächs aus der Lothar-Zagrosek-Zeit, dem damals schon die Dramaturgin Juliane Votteler (nunmehr Opernchefin in Augsburg) bescheinigte, er sei nicht nur „Transmissionsriemen“, sondern bereits groß in Eigenverantwortung. Wie groß die jetzt ist, hat Kluttig unter Beweis gestellt, als er Strauss so gut dosiert unter Strom setzte, dass schier die Wände wackelten in der Stuttgarter Oper. Neben dem GMD Sylvain Cambreling, der noch die nächsten zwei Spielzeiten unter der Intendanz von Jossi Wieler bestimmen wird, wären weitere Kapellmeister vom Kaliber Kluttig also sehr erwünscht und auf jeden Fall im Sinnes des Werkstattgedankens.

Apropos, Werkstatt, Wände – und ja: wird die Auszeichnung zum „Opernhaus des Jahres“ durch die Zeitschrift „Opernwelt“ in dieser Hinsicht etwas einbringen? Dass jemand von der Politik ausgeguckt würde, der nichts Anderes machte, als sich drum zu kümmern, dass Pläne, so vorhanden, dann aber auch rasch in die Tat umgesetzt (wo es prinzipiell schon nach Zwölf ist)? Und dass, überhaupt, vielleicht mal versucht wird, mit einem solchen Pfund wie es nun mal eine solche Auszeichnung darstellt, zu wuchern? Deutschland hat, was man vielleicht nicht vergessen sollte, einige Großstadtopern, die kaum oder gar nicht mehr in Funktion sind: In Köln wird, wie in der Berliner Linden-Oper, scheint‘s ewig gebaut. Frankfurt, wo ein hervorragend geführtes Haus steht, sieht sich noch nicht zu kalkulierenden Umbaumaßnahmen gegenüber. Stuttgart hat, ein Blick ins geradezu pompös geförderte und geführte München reicht vielleicht als Warnung, eine Menge zu verlieren, und zwar mehr als einen Titel: sein Publikum.

Die weiteren Auszeichnungen

Opernhaus des Jahres: Oper Stuttgart

Regisseur: Barrie Kosky („Macbeth“, Zürich)

Bühnen- und Kostümbildnerin: Anna Viebrock („I Puritani“, Stuttgart)

Aufführung: Karlheinz Stockhausen, „Donnerstag“ aus „Licht“ (Inszenierung von Lydia Steier am Theater Basel)

Sänger: Christian Gerhaher (unter anderem für Wozzeck an der Oper Zürich)

Wiederentdeckung: Ermanno Wolf-Ferraris „Schmuck der Madonna“ (Freiburg)

Uraufführung: Georg Friedrich Haas’ „Koma“ (Schwetzinger Festspiele)

Dirigent: Teodor Currentzis („Macbeth“, Zürich)

Orchester: Bayerisches Staatsorchester

Chor: Opernchor Amsterdam

Ärgernis: Chaos, Managementfehler und explodierende Kosten auf diversen Theaterbaustelle – u.a. in Berlin und Köln.

Buch: Ulrich Drüners „Richard Wagner – Inszenierung eines Lebens“ (Blessing)

CD: „Aida“ mit Antonio Pappano, Anja Harteros, Jonas Kaufmann (Warner)

Leserumfrage: Nach Meinung der „Opernwelt“-Leser ist die Bayerische Staatsoper München Opernhaus des Jahres. (StZ)