Es kriselt zwischen den Bezirksbeiräten und Andrea Lindel: Die Lokalpolitiker von Stuttgart-Birkach und Stuttgart-Plieningen wünschen sich eine politischere Bezirksvorsteherin. Doch: Ist das wirklich ihre Aufgabe?

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen/Birkach - Ingrid Tillmanns hat hingeworfen. Sie will keine Bezirksbeirätin mehr sein. „Ich bin in einem Alter, in dem ich mir das nicht mehr antun muss“, sagt das FDP-Mitglied aus Schönberg und meint unter anderem die Wortgefechte in den Sitzungen zwischen Bezirksbeiräten und Bezirksvorsteherin, die gehören mittlerweile zur Tagesordnung wie die Redeminuten für Bürger. Die Stimmung zwischen Gremium und Bezirksvorsteherin Andrea Lindel ist angespannt. Das bleibt auch regelmäßigen Beobachtern der Sitzungen nicht verborgen. Lindel hält sich peinlichst an die Vorschriften, liest zum Beispiel jeden gestellten Antrag mit Punkt und Komma vor. Das ist Stoff für Spott und Häme. Vertreter verschiedener Fraktionen arbeiten sich polemisch an Lindel ab, diese antwortet bürokratisch oder patzig. Immer wieder wird sie in die Mangel genommen, was mit Projekt XY sei. Lindel verweist dann auf Arbeitsüberlastung bei den Ämtern oder mangelnde Dringlichkeit.

 

Tillmanns sagt, sie sei sehr unzufrieden mit Lindels Amtsführung. Die Bezirksvorsteherin treibe wichtige Themen für die Bezirke nicht voran. Sie sei ein Sprachrohr der Stadt, es sei kein Durchkommen. Deshalb sei sie, Tillmanns, nun zurückgetreten. Die Schönbergerin ist nicht die Einzige, die sich kritisch äußert. „Sie hat halt einen eigenen Stil“, sagt Jürgen Holzwarth für die Birkacher CDU. „Sie schlägt sich immer auf die Seite der Verwaltung“, sagt auch er. Sowohl Holzwarth als auch Tillmanns erinnern nostalgisch an die Zeit, als Edgar Hemmerich Bezirksvorsteher von Birkach und Plieningen war. In Vergessenheit geraten ist da wohl, dass die Bezirksbeiräte sich auch an Hemmerich immer wieder rieben. Er unternahm nach dem Geschmack der Fraktionen zu viele Alleingänge, gab sich zu chefig.

Auch mit Hemmerich lief nicht alles rund

Aber er war politischer, sagt Ulrich Fellmeth-Pfendtner von der Birkacher SPD. So wie Lindels Vorvorgängner, Gerhard Schumacher. „Lindel versteht sich als verlängerter Arm der Stadtverwaltung“, sagt er. Sie mache sich nicht zur Fürsprecherin der Bezirke. „Das ist der eigentliche Verdruss“, sagt er. Und dieser Verdruss reicht laut Fellmeth-Pfendtner bereits über den Bezirksbeirat hinaus. Glaubt man diesen Stimmen, bewegt Lindel zu wenig für Birkach und Plieningen. „Die Dinge werden nicht aktiv von der Bezirksvorsteherin vorangebracht“, sagt Holzwarth von der CDU Birkach. Sein Parteikollege aus Plieningen, Michael Wörner, sieht das ähnlich: „Was wir hier haben, ist für mich eine unbefriedigende Situation.“ Eine Situation, die die Stadtbezirke lähme. „Im Moment geht gar nichts“, sagt er. „Sie will uns verkaufen, was die Stadt will, und sie will nicht der Stadt verkaufen, was wir wollen“, sagt Tillmanns. „Aber genau das wäre ihre Aufgabe.“

Andrea Lindel reagiert erstaunt auf die Kritik

„Ich bin Teil der Verwaltung“, sagt Andrea Lindel. Und dennoch sieht sich die Bezirksvorsteherin auch als Gesicht der Bezirke. Eine Doppelrolle, die gar nicht so einfach sei. „Ich bin die sichtbare Verwaltung, und ich glaube, ich kriege es dann immer so ein bisschen ab“, sagt sie. Die Kritik der Bezirksbeiräte, sie treibe Themen nicht voran, kommentiert sie auf Anfrage unserer Zeitung erstaunt. „Es würde mich betrüben, wenn das so wahrgenommen wird“, sagt sie. „Ich bin hier der Dienstleister. Die Verwaltung arbeitet doch für den Bezirksbeirat und für Birkach und Plieningen.“ Sie würde sich wünschen, dass Kritik offen angesprochen würde, anstatt dass Bezirksbeiräte in den Sitzungen polemisieren.

Das Rathaus habe vor allem viele soziale Projekte vorangebracht, sagt Lindel. Manche Themen ließen sich aber auch nicht auf der Verwaltungsebene vorantreiben. „Viele Sachen können nur über die Gemeinderatsfraktionen gelöst werden“, sagt Lindel. Warum die Bezirksbeiräte die entsprechenden Kanäle nicht öfters nutzen würden, erschließe sich ihr nicht.

Die Wortwahl sei manchmal grenzwertig

Birgit Popp-Kreckel von den Plieninger Grünen will nicht leugnen, dass sie und ihre Fraktionskollegen die Spannungen wahrnehmen. „Die Wortwahl finde ich manchmal grenzwertig“, sagt sie über Äußerungen aus dem Gremium. „Oft sind es sehr emotionale Beiträge.“ Die Bezirksvorsteherin wiederum stecke in einer kniffligen Doppelrolle. Einerseits sei sie Teil der Verwaltung, andererseits das Gesicht der Bezirke.

Popp-Kreckel versteht, wenn andere sagen, Lindel habe sich eindeutig auf der Seite der Verwaltung positioniert. „Es kommt wenig von ihr selbst“, sagt sie. Und dennoch sei die Amtsführung Lindels für die Grünen bisher „kein herausragendes Thema“ gewesen. „Ich gehe immer davon aus, dass jeder Mensch sein Möglichstes gibt.“