Mit dem Rad zur Arbeit zu fahren? In Stuttgart ist das eine Herausforderung. Auch wenn sich in den vergangenen Jahren Vieles zum Guten verändert hat, einige Probleme bleiben.

Stuttgart - Die Zahl der Radpendler in Stuttgart steigt beständig. Viele Autofahrer satteln um, auch weil sie es leid sind, sich morgens und abends im Stau zu ärgern. 800.000 Radler passieren inzwischen jährlich die König-Karls-Brücke in Cannstatt, 230.000 werden an der Böblinger Straße in Kaltental registriert. Beide Zählpunkte liegen auf der Hauptradroute 1 der Landeshauptstadt, dem sogenannten Tallängsweg zwischen Vaihingen und Fellbach. Die Stadt plant 36 solcher Hauptradrouten.

 

Pendler klagen über Gefahrenstellen

Direkte Radverbindungen vermissen viele Radpendler, vor allem diejenigen, die an den Stadtgrenzen und darüber hinaus unterwegs sind, also eher abseits der üblichen Routen. Martin Kellner ist einer von ihnen. „Ich fahre von Kaltental nach Sindelfingen. Für diese Strecke von rund 15 Kilometern gibt es bisher keine Schnellverbindung“, sagt der 39-Jährige. Die vorhandenen Radwege seien nicht gut genug ausgebaut, viele Kreuzungen seien zu passieren, folglich gebe es viele kritische Punkte mit Gefahrenpotenzial. Das sei in Stuttgart ein grundsätzliches Problem.

Auch dem dem passionierten Radfahrer Heiko Schenk flößen die vielen Gefahrenstellen im Stuttgarter Radwegenetz Respekt ein. Die Stadt habe zwar in den vergangenen Jahren viel getan, um Radpendlern das Leben leichter zu machen. Es gebe aber zum Beispiel immer noch Radspuren, die plötzlich abrupt aufhören. „Das ist manchmal einfach nur lebensgefährlich.“ Schenks tägliche Strecke führt über rund zehn Kilometer von Vaihingen nach Sillenbuch.

„Zu viele Autofahrer in Stuttgart sind Radler nicht gewohnt, sie rechnen einfach nicht mit ihnen“, weiß auch eine 37-jährige Radpendlerin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. In Freiburg, wo sie lange gelebt habe, sei das ganz anders. Dort werde auch nicht ständig auf Radwegen geparkt und gewendet.

Gut zwölf Kilometer beträgt ihre tägliche Strecke von Waiblingen ins Zentrum von Stuttgart. „Für ungeübte Radler ist es schon eine Herausforderung, durch Stuttgart zu pendeln. Auf dem Wilhelmsplatz zum Beispiel ist es ein einziges Hauen und Stechen zwischen Radlern und Autofahrern“, sagt die 37-Jährige.

ADFC: Radfahrer sind Verfügungsmasse

Cornelius Gruner, ADFC-Kreischef in Stuttgart, ärgert sich über den Umgang der Stadt mit der autofreien Tübinger Straße. „Obwohl sie inzwischen zu den ganz wesentlichen Pendlerrouten in Stuttgart gehört, soll während des Umbaus des Österreichischen Platzes der Autoverkehr zumindest zeitweise ohne Not wieder darüber geleitet werden. Das geht überhaupt nicht“, ärgert sich Gruner. Er erkennt dahinter ein Muster: „Ich habe das Gefühl, dass der Radfahrer als Verfügungsmaßnahme dasteht. Das ist eine Frage der Bequemlichkeit. Es ist bequem aus Sicht der Stadt, den Radfahrern auf der Tübinger Straße gerade erst eingeräumte Rechte wieder zu nehmen.“

Ganz grundsätzlich lobt er aber die Anstrengungen der Verwaltung für Radfahrer ausdrücklich. „Ich bin seit 34 Jahren als Radverkehrslobbyist unterwegs. In diesem Zeitraum hat sich unheimlich viel getan, auch im Bewusstsein der Stadtverwaltung, das muss man wirklich sagen“, sagt der 62-Jährige. Über den deutlich erhöhten Radetat nähere man sich endlich den Erfordernissen eines modernen Radverkehrs an. Als Beispiel nennt Gruner die Hauptradroute 1: „Zwischen Waldeck und Heslach hat man eine Spur von der Straße weggenommen und einen sauberen Radweg angelegt, der wirklich sehr, sehr gut funktioniert.“