Das städtische Gebäude Strümpfelbacher Straße 38 wird nach dem früheren Ortsbaumeister Julius Lusser benannt. Damit würdigt Unterürkheim einen Architekten, der das Ortsbild maßgeblich prägte.
Untertürkheim - Der gemeinderätliche Verwaltungsausschuss hat jetzt grünes Licht für die Namensgebung des Gebäudes Strümpfelbacher Straße 38 gegeben. Das als Kulturtreff bezeichnete Haus, unter dessen Dach sich neben dem Kulturhausverein auch der Kindertreff, der Bayernverein und die städtischen Brennerei befinden, wird nach dem früheren Ortsbaumeister und Erbauer des Hauses, Julius Lusser, benannt.
Der Beschluss folgt der Anregung des Bürgervereins Untertürkheim-Rotenberg. Bereits im November vergangenen Jahres hatte dessen Vorsitzender Klaus Enslin seine Idee im Bezirksbeirat Untertürkheim vorgestellt – und stieß dort auf breite Zustimmung. Weil aber die Entscheidung über die Benennung von öffentlichen Einrichtungen nach Personen laut Hauptsatzung dem Stuttgarter Gemeinderat obliegt, mussten die Untertürkheimer erst dessen Votum einholen.
Kosten werden übernommen
Wann und an welcher Stelle der Fassade das entsprechende Schild angebracht wird, ist offen. Dafür bedarf es noch Abstimmungsgespräche mit dem städtischen Liegenschaftsamt, räumt Enslin ein. Für die (überschaubaren) Kosten kommen die Untertürkheimer auf – für sie eine Ehrensache: Mit der Namensgebung wird eine bedeutende Persönlichkeit gewürdigt: Immerhin 21 Gebäude im Stadtbezirk tragen die Handschrift von Julius Lusser. Als Ortsbaumeister prägte er das Stadtbild Untertürkheims Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts mit seinem typischen Baustil, einer Kombination aus Ziegelstein und Fachwerk.
Es war der frühere Schultes Eduard Fiechtner, der Julius Carl Christian Lusser (geboren am 15. Dezember 1854 in Heilbronn) nach Untertürkheim holte. Der Architekt hatte zuvor fünf Jahre lang in Trossingen einen Stadtbahnhof und das E-Werk für den Betrieb der Zugstrecke gebaut. Fiechtner hatte ehrgeizige Pläne für den Wengerterort: Er wollte die in Cannstatt ansässige Daimler-Motorengesellschaft (DMG) nach Untertürkheim locken, garantierte Gottlieb Daimler eigens dafür die Stromversorgung. Am 15. August 1900 unterzeichneten Vertreter der Gemeinde und des Autounternehmens den Vertrag über 185 000 Quadratmeter Baugebiet im Gewann Kies. Lusser, zum Ortsbaumeister der damals noch selbstständigen Gemeinde ernannt, entwarf den Lageplan für das Industriegebiet und schaffte die versprochene Infrastruktur: In den Jahren 1899 bis 1902 wurde nach seinen Plänen das Wasserkraftwerk an der Inselstraße gebaut, das erste kommunale Stromerzeugungsunternehmen in Württemberg. Noch heute erzeugt es Strom und ist als Industriedenkmal geschützt. Zudem entwarf er 1902 die Kelter der Untertürkheimer Weingärtnergenossenschaft, die damals als modernste ihrer Art in Europa galt.
Im September 1922 gestorben
Auch das seinen Namen tragende Gebäude stammt von ihm. In der Bachstraße 38, heute Strümpfelbacher Straße 38, baute die Gemeinde mit Ortsbaumeister Julius Lusser 1903 ein Mehrzweckhaus, in dem die Frauenarbeitsschule samt Wohnung, Gemeindebackküche, Gemeindewaschküche, Wäschetrockenraum, Bügelzimmer und das Eichamt untergebracht waren. Dazu kam ab 1905 eine städtische Brennerei mit einem 417 Liter fassenden Kupferkessel. Später fanden dort auch noch eine Freibank und eine städtische Telefonzentrale Platz. Mit der Eingemeindung Untertürkheims nach Stuttgart am 1. April 1905 endete die große Ära Lussers, der fortan vor allem Wohnhäuser entwarf. Er starb am 27. September 1922. Seine letzte Ruhestätte auf dem Untertürkheimer Friedhof hat die Stadt in die Liste der erhaltenswerten Grabmale aufgenommen.