Der Vorstand des Heimatrings hat das Fest für 2016 abgesagt. Die Vereine sollen Stellung nehmen, ob sie das Fest künftig wieder wollen und welchen Beitrag sie zum Gelingen beitragen könnten.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Ingrid Balmer erinnert sich noch genau. Als junges Mädchen war sie beim ersten Kinder- und Heimatfest dabei. Der große Umzug mit den geschmückten Wagen startete am Vaihinger Markt und führte bis zur Festwiese am Ende der Krehlstraße. Dort gab es Karussells und Schießbuden. Es war ein buntes und mehrtägiges Treiben. Bis heute ist Ingrid Balmer dem Fest treu geblieben. Seit vielen Jahren ist sie eine der Organisatorinnen. Um so mehr bedauert sie, dass das Fest in diesem Jahr ausfällt. „Das tut weh. Wir haben da immer viel Herzblut reingesteckt. Jetzt fühle ich mich richtig leer“, sagt Balmer.

 

Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt verkündete die Entscheidung am Dienstagabend bei der Hauptversammlung des Heimatrings. Dieser ist der Dachverband aller Vaihinger Vereine und der Veranstalter des Kinder- und Heimatfestes. Seit jeher ist der Vaihinger Bezirksvorsteher in Personalunion auch der Vorsitzende des Heimatrings. Schon vor einigen Wochen setzte sich Meinhardt mit seinen Mitstreitern zusammen. Gemeinsam erarbeiteten sie einen Fragebogen. Das Organisationsteam will von den Vereinen wissen, ob der Heimatring überhaupt noch ein Fest ausrichten soll. Außerdem sollen die Vereine angeben, welchen Beitrag sie bei einem Fest leisten wollen. Denkbar ist unter anderem eine Beteiligung am Bühnenprogramm. Außerdem müssen die Gäste bewirtet werden. Gebraucht werden darüber hinaus Freiwillige, die beim Auf- und Abbau helfen, Ordner und Nachtwachen.

Ein neuer Name und ein neuer Ort?

Die Veranstalter überlegen zudem, ob das Fest einen neuen Namen bekommen soll. Das Organisationsteam liebäugelte im Vorfeld mit der Bezeichnung „Vaihinger Sommer“. Aber das gefällt dem Verbund Vaihinger Fachgeschäfte nicht, der bereits den Vaihinger Frühling und den Vaihinger Herbst ausrichtet. „Die Bezeichnung Vaihinger Sommer würde falsche Erwartungen wecken“, sagt Klaus Trott. Schließlich seien bei den Veranstaltungen des VVF auch die Einzelhandelsgeschäfte dabei, sagt der Vorsitzende des Vereinsrings Rohr. In dieser Funktion ist er auch im Vorstand des Heimatrings. Zur Debatte steht auch der Ort. In den vergangenen Jahren feierten die Vaihinger im Ortskern. Denkbar wäre aber auch der Stadtpark. Dort stieg zum Beispiel das 50. Kinder- und Heimatfest. Allerdings ist der Park ein teurer und aufwendiger Standort: Denn dort muss erst Strom verlegt werden. Es braucht eine Bühne und Toilettenhäuschen.

„So wie in den vergangenen Jahren können wir nicht mehr weitermachen“, sagt Meinhardt. Der Heimatring habe immer mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um Aufgaben, die früher von Ehrenamtlichen geschultert wurden, an professionelle Anbieter zu vergeben. 2015 half eine eigens engagierte Firma beim Aufbau. Statt dem Spielmobil war ein kostenpflichtiger Spieleanbieter vor Ort. Allerdings nur an einem Tag, um das Budget nicht zu sprengen. „Wir haben im vergangenen Jahr viele Miese gemacht, und wir können nicht immer nur von unseren Rücklagen zehren“, sagt Helga Class, die ebenfalls im Vorstand ist.

Zu wenige Besucher

Auch bei den Besuchern fehlt der Zuspruch. Die Menschen seien immer nur gekommen, wenn ihre Kinder auf der Bühne etwas zeigten. „Und wenn sie fertig sind, dann gehen sie wieder“, sagt Balmer und ergänzt: „Und wenn abends die Vereine auf der Bühne auf dem Vaihinger Markt spielen, dann kann man die Zahl der Besucher an zwei Händen abzählen.“ Das Problem sei, dass es insgesamt zu viele Feste und Feiern gebe, die in Konkurrenz mit dem Kinder- und Heimatfest stehen. Und in diesem Jahr wäre auch noch die Fußball-Europameisterschaft hinzugekommen.

Meinhardt betont: „Ich will nicht der Totengräber sein. Aber wir können uns nicht einfach durchwursteln, bis es irgendwann puff macht.“ Trott sieht es ähnlich. Er sagt: „Die Tatsache, dass das Fest ausfällt, ist ein heftiger Bruch. Aber wir brauchen diese Denkpause.“ Bisher seien alle Appelle an die Vereine, sich wieder stärker zu beteiligen, ungehört verhallt. Lediglich zum Jubiläum sei das Engagement noch einmal aufgeflackert. Leider sei aber gerade dieses Fest dann buchstäblich ins Wasser gefallen. Und dann war Ebbe. „Nun suchen wir nach Möglichkeiten, es besser zu machen.“

2017 könnte es wieder ein Fest geben

Auch Meinhardt ist gespannt auf das Ergebnis der Fragebogenaktion. Bis zum 24. März sollen die Vereine die ausgefüllten Fragebogen an das Bezirksamt zurückgeschickt haben. „Ich kann mir viel vorstellen. Aber wir brauchen neue Impulse und Leute, die mitmachen“, sagt Meinhardt. Als gebürtiger Vaihinger wolle er auf keinen Fall, dass das Fest mit ihm als Bezirksvorsteher sterbe. Er hoffe, dass der Heimatring 2017 wieder zu einem Fest einlade.

Kommentar

Farbe bekennen

Vaihingen - Es ist ein Henne-Ei-Problem und es ist müßig darüber nachzudenken, was zuerst da war. Waren es die Vereine, Schulen und Firmen, die sich mehr und mehr zurückzogen, die immer weniger machen konnten oder wollten? Verlor das Fest so an Attraktivität, was dazu führte, dass die Besucher ausblieben? Oder war es genau umgekehrt, blieben erst die Besucher aus und zogen sich die Vereine, Schulen und Firmen deshalb zurück?

Fakt ist, dass sich das Fest mittlerweile nicht mehr lohnt. Der Heimatring macht Miese. Die Vereine verkaufen kaum noch Speisen und Getränke. Die Familien kommen nur noch, wenn ihre Kinder einen Auftritt haben. Danach verschwinden sie wieder, ohne zu konsumieren. Das jedenfalls haben die Mitglieder des Organisationsteams beobachtet. So gibt es kaum noch Einnahmen. Gleichzeitig steigen die Ausgaben, weil Jobs, die früher von Ehrenamtlichen erledigt wurden, mittlerweile an Professionelle vergeben werden müssen.

Richtiger Schritt

Es scheint, als seien die Zeiten vorbei, in denen alle an einem Strang gezogen haben. Heute macht lieber jeder Verein sein eigenes Fest. Das muss man akzeptieren. Aber unter diesen Umständen tut das Organisationskomitee gut daran, den Vereinen quasi die Pistole auf die Brust zu setzen und sie direkt zu fragen, ob sie überhaupt noch ein Kinder- und Heimatfest wollen.

Und wenn der Rücklauf der Fragebögen mau ist? So wie beim Jubiläumsfest, als das Team wissen wollte, ob es einen Umzug geben solle. Damals kamen weniger als zehn Antworten, und das bei 120 Vereinen. Ein nicht zurückgeschickter Fragebogen kann nicht anders gedeutet werden, als dass kein Interesse besteht. Und wenn keiner mehr mitmachen will, dann muss das Fest nach mehr als 50 Jahren beerdigt werden. Auch wenn es jammerschade wäre.