Bei einem Aufflammen der Flüchtlingskrise wäre die Stadt gezwungen, schnell neue Gebäude zu finden. Die jetzigen Unterkünfte sind jedenfalls voll.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Angesichts der Bilder von Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze, die Einlass nach Europa fordern, stellt sich die Frage: Wäre Stuttgart in der Lage, erneut eine größere Zahl von Menschen unterzubringen? Die Antwort der Stadt darauf ist nicht eindeutig.

 

Derzeit seien in den Flüchtlingsunterkünften „bis auf einzelne Plätze aktuell keine Kapazitäten für die Aufnahme weiterer Geflüchteter frei“, erklärt die Verwaltung auf Anfrage. Dies ist, trotz einer jeden Monat beträchtlichen Zahl von Auszügen aus den Wohnheimen, darauf zurückzuführen, dass dort die Wohnfläche pro Person nach den Vorgaben das Landes von 4,5 auf sieben Quadratmeter umgestellt wird. Die Prozess ist nicht abgeschlossen. Für die Aufnahme weiterer Geflüchteter müsste diese Umstellung „angehalten oder ausgesetzt werden“, heißt es weiter. Zusätzliche Gebäude stünden nicht zur Verfügung und müssten gegebenenfalls akquiriert und für den Zweck wieder eingerichtet werden.

Stadt für Not von Menschen offen

Weil diese Darstellung für eine Stadt, die 2018 mit Unterstützung der Ratsmehrheit erklärt hat, Menschen aus der Seenotrettung im Mittelmeer aufzunehmen, ziemlich abweisend klingt, hat Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann eine Erklärung nachgeschoben: „Die Landeshauptstadt hilft Menschen in Not, Stuttgart steht zu seiner Verantwortung.“ Selbstverständlich müsse Menschen geholfen werden, die aus ihrer Heimat fliehen. Deshalb werde Stuttgart „sein Möglichstes tun, einen Beitrag zur Unterbringung von Flüchtlingen zu leisten“, so Sußmann. Sozial- und Liegenschaftsverwaltung seien in einem ständigen Austausch, um gegebenenfalls passende Unterkünfte zu finden.

Derzeit sind laut Stadt in 101 Immobilien rund 5600 Menschen untergebracht. Das sind deutlich weniger als im Vorjahr, Mitte 2019 waren es 6300. Die Zahl nimmt stetig ab. Im vergangenen Jahr standen im monatlichen Schnitt rund 100 Zuwächsen, unter anderem durch Familiennachzug oder Geburten, rund 160 Auszüge gegenüber, etwa weil manche Geflüchtete eine Wohnung in der Stadt gefunden haben oder ins Umland weggezogen sind. In den Heimen kommt die Umstellung von 4,5 auf sieben Quadratmeter Wohnraum nur schleppende voran. Ende Januar lebten immer noch rund 1450 Personen auf 4,5 Quadratmeter Fläche. Bis Ende des Jahres soll diese Zahl aber auf wenige Hundert Menschen sinken.

Kritik an der Politik der EU

Ende vorigen Jahres ist das Regierungspräsidium für 2020 von „allenfalls moderat steigenden Flüchtlingszahlen“ ausgegangen. Angesichts der Bilder von der griechisch-türkischen Grenze müssten es aus humanitären Gründen aber deutlich mehr sein, findet Heide Soldner, die Sprecherin des Flüchtlingsfreundeskreises Böblinger Straße im Süden. „So macht sich Europa völlig unglaubwürdig“, sagt sie über die Verhältnisse in Griechenland. Wenn wieder mehr Menschen kämen, dann müsse sich die Stadt trotz Wohnungsmangels eben etwas einfallen lassen, findet Soldner. Man dürfe jedenfalls keine weiteren Unterkünfte abbauen, betont sie. „Es wäre gut, wenn man vorbauen würde – die Leute sind ja da.“