Beim ersten „Stuttgarter Gespräch“ beeindruckt Kailash Satyarthi tausend Gäste im Theaterhaus. StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs und Kinderreporter befragen den Friedensnobelpreisträger über dessen Kampf gegen Kinderarbeit. Wir zeigen den Mitschnitt der Veranstaltung.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - An diesem Freitag wird in Oslo der nächste Friedensnobelpreisträger bekannt gegeben. Auch wenn Kailash Satyarthi dann einen Nachfolger findet, wird der vor genau einem Jahr geehrte Kinderaktivist weiterhin weltweite Beachtung finden. Seine Mammutaufgabe, die Abschaffung der Kindersklaverei, ist noch lange nicht erledigt. Von seiner Aura konnten sich am Montagabend 1000 Besucher – unter ihnen 150 Schüler – bei einer restlos ausgebuchten Veranstaltung im Stuttgarter Theaterhaus überzeugen, die auch per Livestream im Internet übertragen wurde.

 

Noch immer verrichten 168 Millionen Kinder Vollzeitarbeit – in Textilfabriken, Steinbrüchen, auf dem Feld. „Jedes Jahr werden 1,2 Millionen Kinder wie Tiere verkauft“, sagte der Inder als erster Gast der Veranstaltungsreihe „Stuttgarter Gespräche“, die von der Robert Bosch Stiftung und der Stuttgarter Zeitung initiiert worden ist. Aber „wir kommen voran“. Wenn es so weitergehe wie in den vorigen 25 Jahren, „können wir dieses Elend beenden“. Viele von ihm befreite Kindersklaven seien heute selbst Befreier und Lehrer. „Das ist das Schönste an dieser Arbeit.“

Das Auftreten des charismatischen 61-Jährigen ist unprätentiös und bescheiden, herzlich und humorvoll. Zu jungen Menschen findet er besonders leicht Kontakt: ein Plausch und ein „Selfie“ vor Beginn – ein Kinderspiel ist das. Der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs fragte zunächst nach den Umständen seiner riskanten Arbeit. „Viele Kinder haben nie das Licht der Sonne gesehen“, schilderte Satyarthi. Manche würden vor ihrer Entdeckung an Erschöpfung sterben. Sie arbeiteten auf Kakaoplantagen, hätten aber noch nie Schokolade gegessen. Mitunter sei es ihr einziger Traum, einmal gegen einen Fußball zu treten: „Das Wichtigste ist, den Kindern ihre Träume wiederzugeben“, betonte Satyarthi.

„Wenn ich ein Kind befreie, befreie ich mich selbst“

Es sei gefährlich, sie zu befreien, „aber irgendjemand muss es tun“. Jede der vielen Narben seines Körpers sei eine Geschichte des Widerstands gegen Sklavenhalter und korrupte Polizisten. Seine Wirbelsäule war verletzt, einen Arm kann er heute nur noch schwer heben. „Aber wenn ich ein Kind befreie, befreie ich mich selbst – das ist ein spirituelles Gefühl.“ Und wenn er in das Gesicht einer Mutter sehe, der er ihr Kind wiederbringe, „sehe ich den Blick Gottes“. Er ist gelernter Elektroingenieur. Doch seit der Kindheit habe er gewusst, dass es nicht seine Mission sei, Geld in so einem Beruf zu verdienen. Er wollte etwas verändern.

Am 10. Oktober 2014 war Satyarthi gemeinsam mit der pakistanischen Kinderrechtlerin Malala Yousafzai der Friedensnobelpreis zuerkannt worden. Zunächst stand er im Schatten der jungen Frau, die mit inzwischen 18 Jahren die jüngste Preisträgerin der 115-jährigen Nobelpreisgeschichte ist. Heute strömen die Menschen zu ihm. Im Juni erst zog der passionierte Prediger in der Schleyerhalle Tausende Kirchentagsbesucher in seinen Bann.