Seit Sommer hat die Stadt Stuttgart 250 zusätzliche Schwimmkurse für Kinder organisiert und kann den Bedarf trotzdem nicht befriedigen.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Etwa die Hälfte der Grundschüler in Deutschland kann nicht oder nur ungenügend schwimmen. Das war das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) vor einem Jahr. Zwar legen rund 77 Prozent der Grundschüler bis zur vierten Klasse die „Seepferdchen“-Prüfung ab. Als sicherer Schwimmer gilt laut DLRG jedoch nur, wer die Anforderungen des des Jugendschwimmabzeichens in Bronze beherrscht. Dabei müssen Kinder innerhalb von 15 Minuten mindestens 200 Meter schwimmen.

 

In Stuttgart stellt sich die Situation ähnlich dar. Das soll sich nach dem Willen der Stadt ändern. Im Juli 2017 startete Sport-Bürgermeister Martin Schairer, Sozialbürgermeisterin Isabel Fetzer und der für die Bäderberiebe zuständige Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau deshalb die Initiative „Schwimmfit – sicher Schwimmen in Stuttgart“. Sie soll Familien helfen, einen Schwimmkurs für ihre Kinder zu finden sowie Schulen und Kitas unterstützen. Der Gemeinderat stattete die Initiative bis 2021 mit insgesamt 500 000 Euro aus. Das erklärte Ziel: „Jedes Kind muss bis zum Ende der Grundschulzeit schwimmen können.“

Elf Vereine und zwei pivate Anbieter sind mit an Bord

Angesiedelt ist die Initiative beim Amt für Sport und Bewegung. Dort ist seitdem tatsächlich einiges in Bewegung gekommen. Nach Angaben von Amtsleiter Günther Kuhnigk wurden über das Angebot der städtischen Bäderbetriebe hinaus 250 zusätzliche Schwimmkurse für durchschnittlich jeweils acht bis zehn Kinder eingerichtet. In vier Jahren sollen es 600 Kurse sein. Inzwischen sind elf Vereine und zwei private Anbieter mit an Bord. Darunter auch der Schwimmbund Schwaben, mit dem die Stadt vier Schwimmkurse für Flüchtlinge anbietet, die ebenfalls voll belegt sind. „Der Bedarf ist immens. Weit größer als gedacht“, sagt Kuhnigk. Das zeigten die vielen Anträge, die eingingen. Ebenso wie die Resonanz auf die eigens geschaltete Hotline. Die Kosten für die Schwimmkurse variieren je nach Anbieter zwischen 59 und 130 Euro. Die Stadt hat nach eigenen Angaben ein Auge darauf, dass keine überhöhten Preise angeboten werden. „Darauf achten wir sehr“, erklärt das Amt für Sport und Bewegung. Für Inhaber einer Familiencard tendierten die Kosten nahe Null. Damit ist speziell auch für sozial Schwächere eine Teilnahme an den Kursen möglich.

Für die Schwimmkurse stehen zusätzliche Schwimmmflächen zur Verfügung. „Wir haben dafür jeden Stein umgedreht“, sagt Sören Otto, der „Schwimmfit“ betreut. Der Engpass liegt aktuell woanders: beim Personal. „Wir haben sogar noch Schwimmzeiten frei, die aber nicht bedient werden können“, sagt er. Gute Übungsleiter sind rar. „Unser Qualitätsanspruch ist hoch“, betont Kuhnigk. Nur ausgebildete Rettungsschwimmer kämen in Frage. Die Stadt kooperiert deshalb mit der DLRG. Auch angehende Sportlehrer sollen als Trainer gewonnen werden.

Schulen und Kitas fragen um Schwimmtrainer nach

Überrascht ist Kuhnigk auch von der starken Nachfrage durch die Schulen. Vom Angebot „Rent a Schwimmtrainer“ haben bis jetzt 15 Schulen mit 34 Klassen Gebrauch gemacht. Gleichzeitig melden sich verstärkt Kindertagesstätten. Die Möglichkeiten sind allerdings begrenzt: In einer Faktenübersicht heißt es: „Einige Schulen und Kitas konnten noch nicht unterstützt werden, weil nicht genügend Übungsleiter vorhanden sind.“ Kuhnigk betont zugleich, „Schwimmfit“ könne kein Ersatz für das verpflichtende Schulschwimmen sein. Tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass das Schulschwimmen – wegen Sanierungsarbeiten oder anderer widriger Umstände – untergeht.