Die Stuttgarter Komödie im Marquardt zeigt „Die Wahrheit“, ein gehobenes Schlafzimmerstück von Florian Zeller – die Verwirrung ist total, das Vergnügen groß.

Stuttgart - Wenn eine Frau nicht sagt „Ich schlafe gern mit dir“, sondern „Ich liebe es, mit dir zu schlafen“, dann spricht sie eine Übersetzung. Und wenn Yves Montand von der Kanaille Paris singt, ehe sich der Vorhang hebt, und man danach ein Paar halbnackt im Bett sieht, weiß man, aus welcher Sprache übersetzt wurde: aus dem Französischen.

 

Florian Zeller ist der Mann der Stunde, der Nachfolger der zwanzig Jahre älteren Yasmina Reza im Theaterbetrieb. Seine Stücke stehen landauf, landab auf den Spielplänen. Die Schauspielbühnen in Stuttgart haben für Herbst seinen „Vater“ von 2012 im Alten Schauspielhaus angesetzt. Vorerst aber geht die Komödie im Marquardt mit der ein Jahr zuvor uraufgeführten „Wahrheit“ auf Nummer sicher.

Michel hat ein Verhältnis mit Alice, der Frau seines besten Freundes Paul. So eine Affäre muss verheimlicht werden. Sie zwingt zur Lüge, und das ist, wie wir spätestens seit Feydeau wissen, der Stoff, aus dem die Schlafzimmerkomödie gemacht ist, die wiederum die Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft verbildlicht. Dass es sich beim Personal von Zellers „Wahrheit“ um das gehobene Bürgertum handelt, signalisieren nicht nur die Berufe, sondern im Marquardt auch die Möbel von Marcel Breuer und Corbusier sowie der von Jacques Loussier verjazzte Vivaldi.

Eine Lüge – auch das wissen wir seit Feydeau und Labiche – bringt die andere hervor. Wie sich der Stückheld mehr und mehr in seine Lügen verwickelt, wie er versucht, durch die Wiederholung von Fragen Zeit zu gewinnen, wie er den Spieß umdreht und den anderen mangelndes Vertrauen vorwirft, daraus entspringt die Komik. Sie wird gesteigert durch die knappen Dialoge und den beiläufigen Konversationston, die zu den Bedingungen des Genres gehören. Karin Boyd, Caroline Kiesewetter, Uwe Neumann und Helmut Zierl beherrschen in der Regie von Peter Lotschak die Technik so perfekt, dass man schon im ersten, eher unoriginellen Teil sein Vergnügen hat.

Das Stück setzt sich aus sieben Szenen zusammen, in denen Michel jeweils mit einem Gegenüber zusammentrifft. Er empört sich über eine „Unmoral“, die er selbst betreibt. Darin liegt der Witz und zugleich der tiefere Sinn der Komödie. Nicht der eigene Betrug an Paul ist für Michel der Skandal, sondern dass dieser ihm das Wissen über diesen Betrug verschwiegen hat. Hinzu kommt die Frage, die das Drama auch jenseits des Boulevards, bei Ibsen etwa und bei Schnitzler, umtreibt: Ob es immer sinnvoll sei, die Wahrheit zu sagen.

Wir wollen all jenen, die sich gern im Theater überraschen lassen, nicht den Spaß verderben. Deshalb verraten wir nicht, wie es nach der Pause weitergeht. Nur so viel: am Schluss weiß man nicht mehr, wer lügt und wer die Wahrheit spricht. Die Verwirrung ist total. Wie im wirklichen Leben.

Aufführungen bis 10. Juli täglich außer Montag