Bis heute gilt die Liederhalle nicht nur als akustisches Wunder. Sie konserviert Stil und Mode vergangener Tage, geht aber mit der Zeit.

Stuttgart - An manchen Orten in der Stadt scheint die Zeit stehengeblieben zu sein - so wie im alten Teil des Kultur- und Kongresszentrums Liederhalle, wo Form, Farbe und eigentlich alles an die goldenen Fünfziger erinnert. Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig von Beethoven - die Großen, nach denen die Säle in der Liederhalle benannt wurden, lassen fast auf eine noch längere Geschichte schließen.

Aber gar so alt wie diese Namensgeber ist sie nicht: die pastellgrünblauen Wände, der mosaikgemusterte Steinfußboden und die drei ausladenden Treppen, die schnörkellos geschwungen unter milchigen Lichtkuppeln ins Foyer münden, verraten schnell ihr eigentliches Alter. 1956 wurde die Liederhalle errichtet, an genau der Stelle, an der bis einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg die alte Stätte des Liederkranzes von 1864 stand.

Aufgebaut in eineinhalb Jahren


In rekordverdächtigen eineinhalb Jahren war sie in Zeiten des Wirtschaftswunders wieder aufgebaut worden, gerade rechtzeitig zum 14. Deutschen Sängerbundfest - dem Eröffnungskonzert, zu dem mehr als 100.000 Chorsänger geladen worden waren. Seither gilt die Liederhalle selbst unter Starmusikern nicht nur als akustisches Wunder, sie konserviert auch Stil und Mode vergangener Tage: die konvexe Betonwand im großen Saal, die nierenförmigen in die Decke eingelassenen Lichtschleifen, die messingfarben eingefassten Glastüren mit trapezförmigem Holzgriff.

Spätestens beim Silvesterball, der im denkmalgeschützten Teil des 1991 zum Kongresszentrum erweiterten Konzerthauses stattfindet, bleibt das Foyer nicht mehr Fassade; dann wird es für die Gäste vorwiegend gesetzteren Alters zum Schauplatz festlichen Schwofens am Berliner Platz.

Dass der Veranstaltungskalender trotz jährlicher Riten aber mit der Zeit geht, zeigt sich an den Künstlern, die immer mal wieder eine der Hallen buchen und so gar nicht in die Sparte Klassik passen: Die Popsängerin Heather Nova gehört dazu, Comedian Rüdiger Hoffmann, und sogar Daniel Küblböck jazzte bereits im Mozartsaal.