Unzufriedenheit im Job ist ein allgegenwärtiges Thema. Dabei ist es egal, ob man frisch nach der Uni im vermeintlichen Traumjob, der sich schnell als das genaue Gegenteil herausstellt, landet oder ob man schon viele Jahre im gleichen Beruf arbeitet.
Wenn der Job nicht erfüllend ist, ist Frust bei der Arbeit vorprogrammiert. Doch einfach kündigen? Für viele Menschen keine Option.
Im Interview sprechen wir mit dem Stuttgarter Psychologen Leon Schäfer über Jobfrust, warum diese Unzufriedenheit für uns so gefährlich ist und wieso viele Menschen trotzdem Angst vor einer Veränderung haben.
Viele Menschen sind mit ihrem Job unzufrieden, aber die wenigsten tun etwas dagegen. Was sind die Gründe hierfür?
Meist liegt das daran, dass wir zwar unzufrieden sind, aber nicht so unzufrieden, dass wir eine Entscheidung – die möglicherweise auch Neues oder Unvorhersehbares mit sich bringt – zwingend treffen müssen. Heißt also: Solange das Bekannte, auch wenn wir es doof finden, irgendwie erträglich bleibt, ist es für uns mit weniger Energieaufwand verbunden als die Entscheidung für das Unbekannte, das möglicherweise etwas Besseres nach sich zieht.
Hat das etwas mit Gemütlichkeit zu tun?
Menschen haben eine tiefsitzende Angst vor falschen Entscheidungen. Auch das führt dann am Ende dazu, dass wir lieber alles beim Alten belassen. Wer weiß schon, ob wirklich etwas Cooleres nachkommt? Mangelndes Selbstbewusstsein bzw. die Unsicherheit, ob ich dem Neuen überhaupt gewachsen bin, kann eine Rolle spielen.
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Fragen wie „Wie komme ich mit dem Team, dem Chef oder der Chefin aus? Ist die Tätigkeit wirklich die Richtige? Macht es mir Spaß? Ist die neue Arbeit so sinnvoll, wie ich es mir wünsche? Bin ich nicht innerhalb kürzester Zeit wieder da, wo ich jetzt bin?“ führen oft dazu, dass ich lieber nicht entscheide und ich da bleibe, wo ich bin.
Was trägt maßgeblich zur Unzufriedenheit im Job bei? Und wer ist besonders stark davon betroffen?
Die Gründe für Unzufriedenheit im Job sind extrem unterschiedlich. Mache ich (zu) viel von dem, was mir keinen Spaß macht oder was ich eigentlich nicht kann und sammle Misserfolgserlebnisse? Stimmt das menschliche Umfeld, die Kollegen und Kolleginnen, das Team nicht? Komme ich mit der Chefin oder dem Chef nicht klar? Gefallen mir die Strukturen, in denen ich arbeite, nicht oder fehlen sie? Bin ich in einem Großkonzern und hasse die Prozesse oder in einem Start-up, wo ich diese vermisse und mir das Ganze zu chaotisch ist? Stimmt die Bezahlung aus meiner Sicht nicht? Fehlen Entwicklungsmöglichkeiten? Bin ich über- oder unterfordert? Mache ich immer dasselbe und fehlt mir die Abwechslung oder ist es andersherum? Oder komme ich etwa mit unflexiblen Arbeitssettings oder -zeiten nicht klar?
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Betroffen von Jobfrust sind vor allem diejenigen, die nicht sehen können oder sehen wollen, dass eine Veränderung anstehen sollte oder die sich mit Entscheidungen schwertun. Je weniger entscheidungsfähig oder risikoaffin Menschen sind, desto schwerer tun sie sich mit Wechseln. Bei gut bezahlten oder sehr sicheren Jobs übersieht man auch gerne mal, dass man sich nicht so richtig wohlfühlt. Und holt sich dann am Ende des Monats sowas wie „Schmerzensgeld“ vom Arbeitgeber, um vor sich rechtfertigen zu können, dass sich das Ganze auch lohnt. Überzeugungen wie „das wird schon noch“ führen außerdem oft dazu, dass Menschen darauf hoffen, dass es besser wird und dann nichts ändern.
Was macht die Unzufriedenheit bei der Arbeit mit unserer Psyche und warum ist der Jobfrust so ungesund?
Jobfrust führt zu Burnout, Depressionen, Unzufriedenheit, Hilflosigkeit oder Angst. Auch körperliche Symptome wie Kopf- und Bauchschmerzen, Rückenprobleme, vermehrte Infekte oder Verspannungen sind häufig die Folge. Die meisten von uns arbeiten acht Stunden oder mehr pro Tag. Das ist der überwiegende Teil der Zeit, in der wir wach sind und bewusst Erfahrungen sammeln. Es ist wichtig, dass zumindest ein guter Teil dieser Erfahrungen positiv ist. Dass wir Spaß haben und das, was wir machen auch gerne tun. Dass wir Freude und Begeisterung empfinden. Natürlich ist das nicht in einhundert Prozent der Zeit so.
Nach dem letzten Urlaub allerdings eine Strichliste bis zum nächsten verlängerten Wochenende oder Urlaub zu führen, ist jedoch wenig inspirierend. Auf Dauer riskiere ich bei einer großen Unzufriedenheit im Job meine psychische und physische Gesundheit.
Also muss man seinen Job wirklich lieben?
Lieben ist ein sehr harter Begriff. Ich würde eher sagen, den Job überwiegend gerne machen oder inspiriert sein über das, was ich tue. Herausforderungen finden, wenn ich die möchte oder Sicherheit, wenn ich die brauche. Für manche ist der Job sowas wie leben in einer Familie. Für andere ist er der Ort, wo sie einfach nur ihren Lebensunterhalt verdienen.
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Für die einen ist ihr Job Berufung, andere haben ihr Hobby zum Beruf gemacht. Da gibt es nicht das „beste Rezept“. Es muss nur für mich passen. Und ich sollte damit wirklich zufrieden sein.
Sollte man einfach kündigen und sich einen neuen Job suchen?
Manche tun das. Einfach kündigen und auf Los zurückgehen. Und danach erst schauen, was dann kommt. Manchmal wenig durchdacht und sehr impulsiv. Das geht dann auch teilweise tierisch schief (siehe „Good-bye Deutschland“). Es gibt sanftere Ausstiege: den Job reduzieren und sozusagen nebenher das Neue ausprobieren. Sich in einem Sabbatical ausprobieren. Eine weitere Möglichkeit ist es, sich in innerhalb der Firma auf einen neuen Job zu bewerben, das Neue also im alten Setting ausprobieren.
Was kann man gegen diese Angst vor Veränderungen tun?
Eine Möglichkeit, die mich auf einem für mich guten Weg unterstützt, ist, mir ein klares Ziel zu setzen. Eine Vision zu erstellen für meine Zukunft: Wo kann ich meine Stärken einsetzen? Was genau will ich tun? Was nicht? Wo sehe ich mich in fünf oder zehn Jahren? Und was sind die Schritte dort hin?
Letztendlich ist der Sprung ins kalte Wasser, der klare und schnelle Cut, auch ein möglicher Weg. Da bleibt mir nichts Anderes übrig als zu schwimmen. Und wenn ich das nicht kann, lerne ich es vielleicht.