Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ruth Demol lud sie bei diesem denkwürdigen Telefonat nach Israel ein. Nach Deutschland wollte sie selbst nicht kommen. Die Tage in Israel waren für Annegret Braun, deren Denken Zeit ihres Lebens um die Fürchterlichkeiten des Massenmords an den europäischen Juden und die Frage der Schuld kreiste, die emotional aufregendsten in ihrem Leben. Da ist es ihr wohl gegangen wie der eher schweigsamen Ruth Demol, die ihr zum Abschied einen Brief zusteckte, den Braun wie einen Schatz bei sich trägt und der festhält, was diese späte Begegnung für die 80-Jährige bedeutet.

 

Zur Stolpersteinverlegung werden eine ihrer beiden Töchter, ihr Sohn und zwei ihrer neun Enkel aus Israel anreisen. Ein Familienfoto aus Israel zeigt sie alle und macht deutlich, dass das Leben doch über den Tod gesiegt hat. Auch Ruth Demols Kinder, Elses Enkel also, haben erst von Annegret Braun vom Schicksal ihrer Großmutter erfahren. Sie konnte ihnen aus Briefen zweier überlebender Frauen des KZ Stutthofs bei Danzig berichten. Danach war Else Kahn bis in ihre letzten Tage aufrecht, stark und hilfsbereit. Sehr wahrscheinlich ist sie Ende 1944 an den Folgen einer Typhusepedemie gestorben. Für Braun ist das ein kleiner Trost im großen Grauen. Wenigsten ist sie nicht hingerichtet worden. Ihr Todesdatum und das ihres Mannes ist nachträglich auf den 31. Dezember 1945 datiert. Ein letzter Behördenwillkürakt im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens, das Ruth Demol angestrengt hat.

Nun will Annegret Braun, dass alle vom Leben der Else Kahn erfahren. „Jetzt geht es erst los“, sagt sie. An ihrem Durchhaltewillen wird es nicht scheitern. Das Aufräumen wird weiter warten müssen.