Stuttgarter Wohnungspolitik Eine Bilanz jahrelangen Versagens
Die Bürger müssen die Fehler in der Wohnungsbaupolitik ausbaden. Die Krise zwingt die Stadt zum Handeln, meint Jörg Nauke.
Die Bürger müssen die Fehler in der Wohnungsbaupolitik ausbaden. Die Krise zwingt die Stadt zum Handeln, meint Jörg Nauke.
Wie gering die Stuttgarter Rathausspitze die Notwendigkeit zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums nach Jahren des Versagens einschätzt, lässt sich am Umgang mit ihren Partnern bemessen, die ihr dabei uneigennützig helfen: Als kürzlich die Landesbaugenossenschaft (LBG) ihr 100-jähriges Bestehen einen Katzensprung von der Bürgermeisterbank entfernt feierte, fand sich im Rathaus niemand, der ein kurzes Grußwort halten wollte. Dabei erstellt die LBG derzeit 176 günstige Wohnungen in Stuttgart – das ist mehr als ein Zehntel dessen, was jährlich in Stuttgart an Neubauten entsteht, wie die kümmerliche Statistik von 2021 belegt.
Die Gleichgültigkeit privaten Bauträgern gegenüber, die Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung in Einklang bringen, baden freilich nicht die gut situierten Verantwortlichen aus, sondern die fast 5000 Haushalte, die in der Notfallkartei vermerkt sind. Sie hoffen oft jahrelang auf eine bezahlbare Wohnung. Denn in Stuttgart hat man es vielleicht noch nicht bemerkt, aber Unternehmen müssen hier nicht bauen – in der Region werden sie umgarnt. Jedenfalls repräsentierten bei der LBG-Feier diverse Baubürgermeister aus der Metropolregion mit Freude ihre Kommunen.
Frank Nopper (CDU) findet 1357 neue Wohnungen im Jahr 2021 „ordentlich, aber nicht gut genug“. Diese Meinung dürfte er exklusiv haben – immerhin hat er 2000 Einheiten pro Jahr versprochen. Noch rettet ihn, dass er nicht lange genug im Amt ist, um für die Zahlen verantwortlich gemacht werden zu können. Seine prosaischen Hinweise auf eine stärkere Nutzung der „Potenziale für den Wohnungsbau“ und die „Pflicht zur Steigerung der Schlagzahl“ lassen aber darauf schließen, dass er bei der Problemlösung keine große Hilfe sein dürfte. Aber dafür hat er mit Martin Körner nun einen Chefstrategen, dem der Mietwohnungsbau wichtig ist.
Gerade jetzt rutschen aber die Wohnungsunternehmen in die Krise, verschieben Vorhaben wegen hoher Kosten und Zinsen. Dadurch erhöht sich der Mangel an Wohnraum. Bauträger, die nicht drauflegen wollen, müssten noch höhere Mieten verlangen, winken aber ab, weil sie nicht mehr darstellbar sind. Der Stadt wird nichts anderes übrig bleiben, als die Baulast fast alleine zu stemmen. Jetzt wird sie also wollen müssen.