In den informellen Siedlungen Kairos leben tausende Familien unter unwürdigen Bedingungen. Im Stuttgarter Rathaus wird über Hilfsprojekte der deutsch-ägyptischen Initiative Yalla diskutiert.

Stuttgart - Kein sauberes Trinkwasser, kein Zugang zu Schulbildung, ein Leben im Dreck: Der Alltag der vielen Kinder in Kairos Müllvierteln könnte perspektivloser kaum sein. Im Rahmen der Unicef Städtepartnerstadt haben die Stadt Stuttgart und der deutsch-ägyptische Kulturverein Yalla am Dienstag zu einer Informationsveranstaltung mit dem Thema „Leben im Müll – Kairos informelle Müllsiedlungen und Perspektiven der Kinder der Zabbalin“ ins Rathaus eingeladen.

 

Kairo ist der am dichtesten besiedelte Ballungsraum der Erde. „Durchschnittlich leben in der Stadt 26 000 Einwohner pro Quadratkilometer. Im Vergleich: In München sind es 5000“, so Sebastian Drabinski von der Kooperative zur Entwicklung der Umwelt Moytamadeia, einem Armenviertel Kairos. Die Viertel, die das Stadtbild prägen, werden als informelle Siedlungen bezeichnet. „Im Grunde sind sie aber nichts anderes als Slums“, berichtete Nadia vom Scheidt, Leiterin der städtischen Abteilung Außenbeziehungen.

Seit November 2015 unterstützt die Stadt Stuttgart ein Unicef-Projekt zur Gesundheitsversorgung in den Armenvierteln. In Zusammenarbeit mit der Stadt Kairo sollen zwei der informellen Stadtteile an die Gesundheitsversorgung angeschlossen werden. „Ziele des Projekts sind es, eine bessere medizinische Versorgung zu gewährleisten und Wissen zu vermitteln, wie man sich selbst besser schützen kann“, sagte Angela Griep, Unicef-Teamleiterin für Kommunikation und Kinderrechte. Oft fehle es schon am grundlegenden Wissen, zum Beispiel wie man sich bei gewissen Tätigkeiten vor Krankheiten schützt.

Zugang zu sauberem Wasser verschaffen

Im Januar 2014 konnte die Unicef-Initiative eine neue Gesundheitsstation eröffnen, die 600 junge Frauen und 420 Kinder unter fünf Jahren versorgt. „Wir haben außerdem 1000 Wasseranschlüsse verlegt, um armen Familien einen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen“, berichtete Griep.

Auch konnten durch das Projekt 15 Schulen in den illegalen Siedlungen renoviert und an die Wasserversorgung angeschlossen werden. Dort gibt es nun sogenannte Hygieneclubs. „Die Schüler organisieren beispielsweise Theateraufführungen, um den Mitschüler zu zeigen, wie sie sich besser vor Krankheiten schützen können“, so Griep.

Die Stadt Kairo kümmert sich um die Weiterbildung von Krankenpflegern und Ärzten und das Bereitstellen von Personal. Gemeinnützige Vereine gehen von Tür zu Tür, um Familien zu informieren. „Ohne diese Kräfte wäre die Aufklärungsarbeit kaum möglich. Die Helfer kennen die Kultur und die Leute vor Ort viel besser, als wir es tun“, sagte Griep. Sebastian Drabinski, der seit 2012 die Arbeit des Hilfsfonds Schwester Mario Kairo vor Ort unterstützt, sprach über die Arbeit im Müllviertel Moytamadeia: „Die Abfallversorgung in Kairo funktioniert über drei Stellen: die städtische Müllabfuhr, private Müllabfuhren und private Sammler, die Zabbalin.“ Der Entsorgungsgrad sei unzureichend. Ein Drittel des Mülls könne gar nicht versorgt werden und lande auf der Straße. „Die Zabbalin-Familien sortieren den Müll per Hand unter katastrophalen Bedingungen. Der Staat ist in den Vierteln nicht präsent“, so Drabinski.

Spenden ermöglichen weitere Arbeit

Mithilfe des Vereins Schwester Maria Kairo, der 1969 von der deutschsprachigen St.-Markus-Gemeinde in Kairo gegründet wurde, konnten in dem Viertel eine Schule, ein Kindergarten und eine Nähwerkstatt aufgebaut werden. Trotzdem gehe der Großteil der Kinder in Moytamadeia nicht zur Schule. „Wir haben jährlich hunderte Anmeldungen, die wir nicht berücksichtigen können. Viele melden ihre Kinder aber gar nicht erst an, da sie als Arbeitskraft gebraucht werden“, so Drabinski.

Stuttgart ist seit November 2015 für ein Jahr Unicef-Kinderstadt und unterstützt drei laufende Projekte, darunter das in Kairo. Durch die Spendengelder aus der Städtepartnerschaft kann Unicef die Aktivitäten in den Siedlungen weiter ausweiten und für das Jahr 2016 aufrechterhalten.