Die CDU-Chefin hat große Chancen auf eine Wiederwahl. Doch es bleiben Unsicherheiten, meint der Berliner Büroleiter der Stuttgarter Zeitung, Armin Käfer, in der Reihe „StZ im Gespräch“.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Langweilig – so lautet ein vielfach geäußertes Urteil über einen dahin dümpelnden Wettstreit der Parteien. Wer die Stichworte „Wahlkampf 2013 langweilig“ bei der Internetsuchmaschine Google eingibt, erhält 160 000 Treffer. Das ist natürlich kein tragfähiger Beleg, zumal die Kombination „Wahlkampf 2013 spannend“ gleich 622 000 Ergebnisse bringt. Es scheint vielmehr so zu sein, dass die Landtagswahl in Bayern auf den letzten Metern Schwung in das Rennen gebracht hat. Dieser Eindruck entsteht auch, wenn man das große Interesse von 200 Lesern der Stuttgarter Zeitung als Maßstab nimmt, die am Montagabend im Pressehaus aus erster Hand erfahren wollten, wie es mit der Republik politisch weitergehen könnte.

 

„Das allgemeine Lamento, dass der Wahlkampf inhaltsleer sei, kann ich nicht teilen“, sagte Armin Käfer, der seit acht Jahren das Berliner Parlamentsbüro der Stuttgarter Zeitung leitet. Nach dem CSU- Triumph gilt dies ohnehin nicht mehr. Es gebe einige Parallelen zwischen dem Wahlsieger in Bayern und der Kanzlerin: „Wie zuvor Horst Seehofer führt auch Angela Merkel einen Kümmerer-Wahlkampf – beide sacken alles ein, was an Themen für die Wähler von Interesse sein könnte.“ Doch da ist ein zentraler Unterschied: „Seehofer konnte seine Klientel im Wahlkampf begeistern – bei Frau Merkel geht der Puls nicht hoch, wenn sie auf dem Marktplatz steht“, sagt Käfer. Ohnehin werde der frisch gestärkte Bayer – der „aufgeputschte Superman“ – der Regierungschefin, so sie es denn bleibt, noch schwer zu schaffen machen. Bei der Maut vor allem: Ihren Widerstand dagegen werde sie wohl „sofort auf dem Altar der Koalition opfern“, sollte dies nötig sein.

Wie groß ist der „Schamfaktor“ bei der AfD?

Befragt von Rainer Pörtner, dem Leiter des Politikressorts der StZ, wagte der 53-jährige Käfer eine Prognose: Die Wahrscheinlichkeit, dass Merkel Kanzlerin bleibe, sei zwar sehr hoch. Doch blieben Restrisiken in Form der FDP und der Alternative für Deutschland (AfD). Die Euro-Kritiker seien wohl der größte Unsicherheitsfaktor. Steckt in den Umfragen – wie früher schon bei rechten Parteien – gar ein Schamfaktor, so dass die Beliebtheit der AfD noch größer ist, als es die Werte andeuten? In jedem Fall sei die Angst in der Union ausgeprägt, dass die Alternative für Deutschland ihr noch einen Strich durch die Rechnung mache, so Käfer.

FDP-Chef Philipp Rösler stelle die Bürger nach dem Desaster in Bayern gar vor die Wahl: Entweder Rot-Rot-Grün oder die „Freiheit“, womit er Schwarz-Gelb meint. Ganz offen setzten die Liberalen auf eine Zweitstimmen-Kampagne. „Die FDP redet sich ein: Wenn die Generalprobe misslingt, dann wird die Premiere umso besser“, sagte der StZ-Büroleiter. Doch die Union sei gewarnt, weil sie ein „zweites Niedersachsen“ befürchtet; dort hatten der CDU nur wenige Stimmen für die Regierungsübernahme gefehlt. Diese hatte die FDP erhalten.

Die SPD hat noch „Luft nach oben“

Käfer zufolge kommt eine weitere Variable hinzu: Die Union habe ihr Potenzial in den Meinungsumfragen schon ausgeschöpft, meinte er, während die SPD einen Teil der unentschlossenen Wähler wohl noch nicht erreicht habe. Die Genossen hätten „mehr Luft nach oben“. Im Übrigen seien Meinungsumfragen nicht per se schlecht. Es gebe zwar ein Institut, das gerne Ausreißer für einzelne Parteien skizziere, um damit Nachrichten zu produzieren – generell beeinflussten Umfragen jedoch das Verhalten der Parteien, wie sich etwa an der veränderten Einstellung der Union zum Mindestlohn gezeigt habe. Des Volkes Meinung setze sich auf diese Weise durch.

In der Diskussion mit den Lesern wurde der Wunsch laut, die Medien sollten mehr über Inhalte informieren als über vordergründige Aufreger wie Peer Steinbrücks Foto mit dem Stinkefinger. Käfer wendete ein, dass Gesten einiges über den Politiker verraten – so wie auch Merkels Raute die Unaufgeregtheit ihres Regierungsstils kennzeichne. Zudem müsse die SPD einen großen Teil des bürgerlichen Publikums ansprechen, wolle sie die Wahl gewinnen. So gesehen habe der Kanzlerkandidat aber einen Teil seines Publikums mit dem Stinkefinger vor den Kopf gestoßen, urteilte er.

Steinbrück, der Klartext-Politiker, pflege im Umgang mit den Journalisten einen mitunter unterschwellig aggressiven Ton. Derweil bleibe Merkel stets gefasst. Hinter den Kulissen sei sie gar ein „Kontrollfreak“ – am liebsten würde sie jedes Zitat und jedes Foto von sich überprüfen, sagte Käfer. Anders als ihren Vorgänger Gerhard Schröder würde man sie nie spät abends an der Bar mit Medienvertretern plaudern sehen. „Merkel will sich nicht allzu sehr gemein machen“, schilderte er aus seinem Erfahrungsschatz. „Distanz bedeutet für sie auch Schutz.“ In ihrem direkten Umfeld schätze sie am meisten Loyalität und Verschwiegenheit. Dazu passt, dass die Kanzlerin auf der funktionalen Ebene und situationsbedingt handele – wie bei der Europapolitik. Sie denke nicht, wie einst Helmut Kohl, in historischen Dimensionen.

Amtszeit des Regierungschefs besser nicht begrenzen

So kam gegen Ende fast zwangsläufig wieder die Rede auf die Langweile, die eine Leserin in dem Prinzip „Weiter so“ der deutschen Politik sieht. Sollte man nicht – wie in den USA – die Amtszeit des Regierungschefs auf zwei Legislaturperioden begrenzen? Käfer widersprach: Ein „Weiter so“ sei doch für diejenigen Menschen eher faszinierend, die davon profitierten, dass es dem Land relativ gut geht, sagte er. Und es sei prinzipiell schlecht, wenn eine Demokratie gesetzlich regeln müsse, wie lange der Kanzler im Amt bleiben solle. Der einstige Merkel-Mentor Helmut Kohl sei einst abgewählt worden, als sich das Gefühl verbreitet hatte: Jetzt ist Schluss. Dieses Verfahren sei immer noch das beste, so Käfer. „Und warten wir mal ab – es sind ja noch ein paar Tage bis zum Wahlsonntag“, fügte er an. Mit anderen Worten: Vielleicht beantwortet sich diese Frage dann von selbst.