Die Berlin-Korrespondentin der StZ, Katja Bauer, diskutierte am Mittwochabend in der Alten Reithalle über die Nöte der Hauptstadt.

Stuttgart - Dass sie viel Verständnis für Berlin aufbringt, hat Katja Bauer schon in ihren Reportagen bewiesen, die sie seit 2003 als Korrespondentin der Stuttgarter Zeitung aus der Hauptstadt verfasste. Am Mittwochabend in der Reihe „StZ im Gespräch“ hat sie vor 300 Leserinnen und Lesern in der Alten Reithalle in Stuttgart „live“ ihre Erfahrungen geschildert – begrüßt von warmem Applaus. StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs führte in den Abend ein und beschrieb Berlin als noch geteilte Stadt: Einerseits gebe es heruntergekommene Stadtviertel, brennende Autos und aus „Schwabenhass“ angezündete Kinderwagen, anderseits sei Berlin die Stadt der schicken Klubs und Designerläden. „Berlin produziert Klischees wie Stuttgart Autos. Berlin ist ein Magnet, der polarisiert.“ Gleich darauf nahm Dorfs – gemeinsam mit Politik-Ressortchef Rainer Pörtner – die bekennende Berlin-Sympathisantin Katja Bauer in ein sanftes Kreuzverhör.

 

Als erstes musste sie erklären, wie sie als Schwäbin denn in einer angeblich „Schwaben hassenden“ Stadt leben könne: „Sehr gut“, war ihre Antwort. Das bei einem Brandanschlag verwendete Hasswort stamme von einem Einzeltäter, aber es sei auch ein Symbolbegriff für den wütenden Protest gegen die Gentrifizierung – die mit Mietpreiserhöhungen einhergehende Umwandlung von Stadtvierteln.

Wowereit antwortete schnoddrig

Berlin-kritische Fragen wurden nicht ausgespart: Zum hohen Schuldenstand sollte Katja Bauer sich äußern, und sie verteidigte den Kurs des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der wegen gebührenfreier Kindergärten von westlichen Bundesländern kritisiert wurde. Er lasse sich von einem Geberland nicht die Politik vorschreiben, soll Wowereit schnoddrig geantwortet haben.

Aber wenn in bestimmten Stadtvierteln jedes dritte Kind kein Deutsch spreche, sei es dann nicht sinnvoll, dass man da mit einem kostenlosen Kita-Platz die frühe Sprachförderung beginne, fragte Katja Bauer. Im übrigen habe Berlin drastisch gespart, Rot-Rot sei sogar aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten, um Einschnitte im öffentlichen Dienst zu vollziehen und Stellen zu streichen. Die Ausgaben Berlins seien in einem Jahrzehnt um 2,3 Prozent gestiegen – in den anderen Ländern seien es im Schnitt mehr als 15 Prozent gewesen.

Neue Jobmaschine

In der Debatte ging es um Berlins neue Jobmaschine, den kreativen Sektor, das Phänomen Thilo Sarrazin, der sieben Jahre lang den seriösen Haushaltspolitiker gab, bis er die Migrantenfrage entdeckte. Es ging um die Ossi-Wessi-Beziehung, die so gut ist, weil sich der eine nicht um den anderen schert. „Mancher Ostberliner war nie im Westteil und umgekehrt.“ Und natürlich ging es um Politik, denn am Sonntag wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Katja Bauer beschrieb die Grünen-Kandidatin Renate Künast als „angestrengt, verspannt und genervt“, was vielleicht den Absturz der Grünen von 30 Prozent in den Meinungsumfragen auf heute 20 Prozent und damit knapp hinter der CDU erklären könnte.

Berlins Strahlemann ist Klaus Wowereit, 60 Prozent würden ihn, wenn es möglich wäre, direkt zum Bürgermeister bestimmen, seine SPD führt die Umfragen mit 32 Prozent. Seine Beliebtheit erklärte Katja Bauer mit seinem Charme und seiner Volksnähe. Rainer Pörtner fragte, ob der Wowereit „denn auch Kanzler kann“. Da war die Korrespondentin skeptisch. Ob der in einem Flächenstaat vermittelbar sei, sei fraglich. Visionen vermisse sie bei ihm auch. Ja, und ob der grüne Hoffnungsträger Winfried Kretschmann denn in Berlin eine Chance hätte. Da musste Katja Bauer lächeln, nein, der sei wohl „zu schwäbisch“. Am Ende kamen aus dem Publikum fast 20 zum Teil sehr differenzierte Fragen zum Thema Berlin, meist von Stuttgartern, die Bande in die Hauptstadt haben. Zum Schluss gab Katja Bauer eine Wahlprognose ab: Wowereit werde weiterregieren, in welcher Koalition sei offen. Kommt die Piratenpartei ins Parlament, werde es auf Rot-Grün hinauslaufen. Falls nicht, könnte Wowereit auch mit den Linken weiterregieren. Die seien für den Bürgermeister, der im übrigen „robust auftreten“ könne, ein einfacher Partner gewesen. Zahmer jedenfalls als die Grünen, die die Gebührenfreiheit der Kitas in Frage stellen.