Trotz des Debakels um die unbemannte Drohne Euro Hawk traut der frühere Generalinspekteur Kujat dem Verteidigungsminister de Maizière noch den Wechsel nach Brüssel zu.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Stuttgart – - Herr Kujat, ist es wahrscheinlich, dass Minister de Maizière schon weit vor dem Aus für Euro Hawk, also im vorigen Jahr, voll umfänglich von dem Desaster gewusst hat?
Jeder Minister hat seinen eigenen Führungsstil: Der eine versteht sich primär als Leiter des Ministeriums, der andere eher als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt und führt von vorn. Wie das bei de Maizière läuft, ist für Außenstehende sehr schwer zu beurteilen.
Hätte er früher davon erfahren sollen?
Er hätte früher davon erfahren müssen. Seine Differenzierung zwischen lösbaren und unlösbaren Problemen überzeugt mich nicht. Es handelt sich bei Euro Hawk um ein Flugzeug, das eine Fähigkeitslücke ausfüllen soll. Dies hat entscheidenden Einfluss auf unsere Einsätze sowie auf die Sicherheit unserer Soldaten und muss den Minister interessieren. Insofern hätte er so früh wie möglich um die Probleme mit Euro Hawk wissen müssen.
Er sagt, es gebe im Ministerium eine Tradition, den Minister vor ,lässlichen Problemen’ zu schützen.
Dass man dem Minister möglichst keine unangenehmen Dinge meldet, kann ich aus meiner Zeit nicht bestätigen. Ich habe viele Jahre in dem Ministerium verbracht und dabei die gegenläufige Tendenz festgestellt: nämlich Probleme nach oben zu verlagern und damit die eigene Verantwortung abzugeben – nach dem scherzhaften Wort: Melden macht frei.
Widersinnig wirkt die Argumentation ja auch, weil seine Staatssekretäre enge Vertraute von ihm sind und den Traditionen gar nicht verhaftet?
Das ist richtig. Es gibt den engeren Leitungszirkel, der sehr häufig zusammenkommt. Dort wird alles besprochen, was wichtig ist. Dort kommen auch Themen auf den Tisch, die nicht auf dem Dienstweg an die Leitung herangetragen werden, sofern ein offenes und vertrauensvolles Klima herrscht. Man wartet nicht auf eine Vorlage, die sich den Weg durch die Instanzen zum Minister freigekämpft hat.
Ist das grundsätzliche Problem gar der Minister selbst – sowie seine Reform: weil er nicht gut genug im Ministerium vernetzt ist, weil seine Staatssekretäre in dem Bereich unerfahren sind, weil dem Generalinspekteur die Kompetenzen für die Ausrüstung entzogen wurden und weil der Planungsstab abgeschafft wurde?
Das ist ein interessanter Punkt. Was wir erleben, geschieht strukturell in der neuen Organisationsform, die andere Verfahren und Zuständigkeiten bringt. Es gilt auch eine überarbeitete Version des Beschaffungserlasses. Wenn nun das Haus in einer wichtigen Angelegenheit der Auffassung ist, dass die Leitung informiert werden muss, dann passiert das auch. Das können allerdings die Staatssekretäre sein, die dann zu beurteilen haben, was der Minister wissen muss. Somit ist im Fall Euro Hawk offenbar so gehandelt worden wie verlangt. Die Abschaffung des Planungsstabes halte ich für einen großen Fehler. Er ist von Helmut Schmidt mit Theo Sommer als dem ersten Leiter geschaffen worden, um dem Minister als reaktionsschnelles Frühwarnsystem außerhalb der militärischen und ministeriellen Hierarchie zu dienen und ihm in wichtigen Fragen kompetent und unvoreingenommen eine ,zweite Meinung’ zu geben.
Es entbindet den Minister aber nicht von der Verantwortung?
Überhaupt nicht. Er muss gerade bei Beschaffungsvorhaben immer die Auswirkungen seiner Entscheidungen auf die Sicherheit der Soldaten oder die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte unter Führungsgesichtspunkten betrachten. Da liegt auch das Problem, das viele seiner Vorgänger mit diesem Amt hatten.