Wir bestellen immer mehr Waren im Internet. Drei Milliarden Päckchen sind jährlich in Deutschland unterwegs. Nicht nur die müssen transportiert werden. Doch es gibt Ideen für die Logistik der Zukunft.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Immer mehr Menschen bestellen immer mehr Dinge im Internet. Pro Jahr werden drei Milliarden Pakete vom Produzenten zum Konsumenten befördert. Im Jahr 2016 hat jeder Baden-Württemberger 43 Päckchen bekommen. 50 Prozent des Verkehrs in den Städten entfallen auf den Transport. Die Herausforderung, wie die Waren dann zu ihren Käufern oder generell in die Geschäfte kommen, ist also eine der Fragen künftiger Mobilitäts- und Transportkonzepte, will man den Verkehrsinfarkt vermeiden.

 

Erst zwölf Kilometer elektrifizierte Autobahn

Der E-Lkw werde auf der Langstrecke Autobahn noch eine Weile auf sich warten lassen, dämpft Barbara Lenz, die Direktorin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, allzu große Erwartungen. 13 000 Kilometer Autobahn gibt es in Deutschland, zwölf werden momentan elektrifiziert. Lenz geht von acht Jahren aus. Zusammen mit Alex Vastag, dem Leiter der Verkehrslogistik am Fraunhoferinstitut für Materialfluss und Logistik diskutierte sie das Thema „Die Lastenesel werden elektrisch.“ Schon einmal habe es Oberleitungsbusse in den Städten gegeben, die von oben mit Elektrizität versorgt wurden. Lenz ist entsprechend optimistisch.

Auch beim Warentransport gelte: Wir haben uns viel zu lange an autogerechte Städte gewöhnt, beschreibt Vastag die Ausgangslage. Das bedeute ein Umdenken, wolle man die großen Lastwagen aus den Städten fernhalten. Vastag beschreibt ein Modell, in dem Waren zunächst mit größeren Lastwagen an Umschlagplätze am Rande der Städte transportiert werden. Es sei Aufgabe der Stadtplanung, die Plätze dafür mitzudenken. Dort werden die Transportgüter auf kleinere Fahrzeuge umgeladen. Und dann vielleicht noch einmal – bis hin zum wendigen elektrifizierten Lastenfahrrad. Der Stau durch haltende Lkws in der zweiten Reihe entfalle dann. Untersuchungen zeigen, dass sich schon bei herkömmlichen Lkws die Zahl der Fahrzeuge um zehn bis 15 Prozent reduzieren lasse, wenn diese ihre Ladung nicht in der Rushhour, sondern in den Nachstunden auslieferten.

Pflegedienste nehmen auch Waren mit

Was in der Stadt möglich sei, müsse in ländlichen Gegenden anders gedacht werden, ist Lenz überzeugt. „Wer sagt denn, dass ein Bus nur Personen befördern muss“, fragt sie und favorisiert Multifunktionslösungen. Pflegedienste etwa, denkt Vastag eine dieser Möglichkeiten weiter, könnten auch Waren auf ihrer Fahrt durch kleine Gemeinden mitnehmen.

Ein Bündel von Ideen, wie von Lenz und Vastag skizziert, sei notwendig, um den Transport von Menschen und Gütern in der Zukunft nachhaltiger zu gestalten, sagt auch Joachim Drees aus dem MAN-Vorstand. Sein Unternehmen hat die Studie „What Cities want“ in Auftrag gegeben. Und was wollen die Städte? Einen Lieferdienst in kommunaler Verantwortungen, den die Städte wollen, sehen die Bewohner kritisch. Für den Verkehr gesperrte Areale überzeugten nicht alle Studienteilnehmer. Ein unterirdisches Transportszenario spreche nur junge Stadtbewohner an.

Nur ganzheitliche Lösungen überzeugen

Am überzeugendest ist das Szenario, das auf der freiwilligen Zusammenarbeit aller Beteiligten fuße. Es verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, indem etwa Paketdienste miteinander kooperieren. Die Kunden müssen ebenfalls zusammenarbeiten – etwa in Form von Sammelbestellungen, deren Auslieferung die Kommunen dann koordinieren. 81 Prozent der Praktiker und Entscheidungsträger favorisieren das Modell. Ebenso die über 50-Jährigen der Befragten. MAN habe nach den Ergebnissen seine Angebotspalette bei den Nutzfahrzeugen ausgerichtet. Drees ist überzeugt, dass bis 2025 keine Kommune mehr ohne E-Busse auskommen kann. E-Trucks und andere E-Fahrzeuge gehöre die Zukunft. Die Bereitstellung der Ladeinfrastruktur sieht er jedoch nicht als Aufgabe MANs Drees’ Versprechen: der Verkehrsinfarkt sei vermeidbar.