Ludwigsburgs OB Wener Spec ist ganz in seinem Element, wenn er vom Living Lab, dem lebenden Labor, redet, zu dem die Stadt werden könnte. Denn der Gemeindetag hat Ludwigsburg ausgewählt, Pilotkommune zu sein.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Ludwigsburgs Oberbürgermeister genießt das Rückwärtseinparken seit Kurzem ganz besonders. Sein Dienstwagen, ein Audi 3 e-tron, ein Hybridfahrzeug, tut das nämlich eigenständig ohne das Zutun des Stadtlenkers. Aber Werner Spec’ Euphorie hat nichts damit zu tun, dass er nun um eine Last ärmer ist. Für den 58-Jährigen steht das Einparkmanöver für einen viel größeren Zukunftsplan, an dem er gerade schmiedet.

 

Er ist ganz in seinem Element, wenn er vom Living Lab, dem lebenden Labor, redet, zu dem die Stadt werden könnte, in der er seit zwölf Jahren Oberbürgermeister ist. Denn der Gemeindetag hat Ludwigsburg ausgewählt, Pilotkommune zu sein. Hier sollen Technologien, die zwar entwickelt sind, aber noch ihr Anwendungsfeld in der Praxis suchen, zum Einsatz kommen und praxisreif gemacht werden. Geschieht das mit Erfolg, sollen andere Kommunen sich das Ludwigsburger Beispiel abgucken können. Vor allem gehe es dabei um intelligente Mobilitäts- und Energiekonzepte, so Spec. Beide Bereiche liefen zunehmend zusammen. Die Stichworte heißen Vernetzung und interdisziplinäres Denken.

Er will dabei sein. Schon als Spec den Finger mit dem Vorschlag streckte, die Region möge sich als Kulturhauptstadt Region Stuttgart bewerben, trieb ihn dieser Gedanke an. „Die Firmen sollen ihre Innovationen nicht irgendwo in der Welt ausprobieren. Sie sollen es hier tun in der Region“, sagt Spec. „Wir müssen den Firmen sagen, dass wir nicht nur Autos in den Museen stehen haben, sondern dass wir auch die Wiege des Fortschritts sind.“ Er ist vom Wunsch beseelt, diese Idee umzusetzen. Stillstand ist ihm ein Graus. Allzugroße Saturiertheit lähme, sagt er. Um dem entgegenzuwirken, packt er sich in seinen vollen Terminkalender weitere Verpflichtungen. Bei Living Lab sitzt er als Moderator mit Firmenvertretern etwa von Bosch, Siemens und Porsche und Forschern des Fraunhofer-Instituts und der Technischen Hochschule Stuttgart in Workshops. Noch weitere fünf Jahre soll diese Pilotphase gehen. „Die Firmen betreten Neuland, wenn sie mit Kommunen zusammenarbeiten“, so Spec. Er hat es in Ludwigsburg zur Chefsache gemacht, dass die Zusammenarbeit klappt. Das Referat Nachhaltige Stadtentwicklung unterstützt ihn. Es hat in der Verwaltung Schnittstellenfunktion. „Wenn die Welt komplexer wird, müssen mehrere Köpfe denken“ ist seine Maxime.

Die Pilotpjhase dauert noch fünf weitere Jahre

Konkret geht es Spec bei Living Lab jetzt darum, die Phase der theoretischen Erkenntnis und des Jetzt-sollte-man-eigentlich zu verlassen und in Ludwigsburg theoretisch mögliche Vorhaben Wirklichkeit werden zu lassen. Dafür muss er jedoch auch seine Stadt gewinnen: die Bürger und die Gremien. Es ist das Referat Nachhaltige  Stadtentwicklung, das versucht, in Zukunftskonferenzen und Bürgerbeteiligungsprozessen den Weg für Projekte wie dieses zu ebnen. Zielkonflikte sind doch spannend, sagt Spec und drückt Kritik an seinem Tempo weg. Denjenigen, denen er zu schnell ist, hält Spec entgegen, dass auch der Wohlstand der Gegenwart in der Vergangenheit hart erkämpft worden sei.

Spec: Gegen Stau helfen nicht immer mehr Straßen

Es heiße, die Einsatzgebiete für die neu entwickelten Technologien zu finden, wo sie Probleme lösen, den Komfort oder die Sicherheit vergrößern. So, wie es sich für eine Win-win-Situation gehört.

Natürlich hat Spec ein Beispiel parat. Gegen Stau, so sagt er, können wir nicht immer weiter nur Straßen bauen. Auch der ÖPNV gelange in Spitzenzeiten an seine Grenzen. Eine mögliche Antwort liegt für ihn in den intelligenter werdenden Verkehrssystemen. Vielleicht noch in der zweiten Jahreshälfte könnten in Ludwigsburg im Probebetrieb Sensoren stehen, die mit dafür ausgestatteten Fahrzeugen kommunizieren und sie beispielsweise stoppen, wenn der Vordermann bremst. „Dadurch wird es weniger Tote und Verletzte im Verkehr geben“, sagt Spec. Auch ließen sich so Staus abbauen.

Was so verlockend klingt, wirft auch Fragen auf: Wer ist Träger der Datenwolke? Sind es Privatunternehmen, oder wird die Cloud Teil der öffentlichen Infrastruktur? Ist die Datensicherheit gewährleistet? Es ist ein großes Rad, das Spec dreht. Das Rückwärtseinparken wird da verständlicherweise zur Nebensache.