Bei der Mitgliederversammlung von Südwestmetall am Mittwochabend in Heidelberg wollte Bundesfinanzminister Schäuble eine Debatte über Steuererhöhungen „gar nicht erst anfangen“. Das war genau das, was die Metallarbeitgeber hören wollen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Heidelberg - Mit scharfen Worten hat der Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger der Politik ins Gewissen geredet. Bei der Mitgliederversammlung von Südwestmetall in Heidelberg mahnte er mit Blick auf den Bundestagswahlkampf, die Wirtschaft nicht mit mehr Regulierung und höheren Steuern zu belasten.

 

In der Metall- und Elektroindustrie seien binnen drei Jahren 260 000 Stammarbeitsplätze neu entstanden. Und bundesweit seien von 2006 bis 2011 quer durch alle Branchen zwei Millionen Beschäftigungsverhältnisse geschaffen worden, davon 1,5 Millionen Normalarbeitsplätze. So wolle er „mit einem Märchen aufräumen“, sagte der Dachverbandschef: Die neuen Arbeitsplätze seien weder nur im Niedriglohnsektor entstanden, noch seien sie alle prekär. „Ich lasse mir von niemandem einreden, dass in Deutschland etwas schiefläuft.“

„Weder Heuschrecken noch Ausbeuter“

Die Parteien bat er, der Wirtschaft mehr Vertrauen zu schenken. „Unternehmen sind Ihre Partner, nicht Ihre Gegner“, sagte Dulger. „Wir sind weder Heuschrecken noch vaterlandslose Gesellen, weder Ausbeuter noch Sklavenhalter.“ Die Wirtschaft brauche eine Politik und ein Umfeld, die verstünden, was sie leiste. Berechtigte Kritik sei erwünscht, aber oft genug habe er den Eindruck, es gehe nur noch um die Skandalisierung. Das treibe einen Keil zwischen Unternehmen und Belegschaften.

Angesichts der Schuldenkrise sagte Dulger, viele Maßnahmen seien bittere Medizin. „Doch wenn in halb Europa schweres Fieber ausbricht, sollten wir nicht auf den Arzt schimpfen.“ In Kanzlerin Angela Merkel habe Europa einen exzellenten Arzt gefunden. „Andererseits ist die Politik dabei, ihre Reformerfolge im eigenen Lande rückgängig zu machen“, so Dulger. „Würden SPD und Grüne mit ihren Vorschlägen in Spanien oder Griechenland zur Wahl antreten, müssten wir ihnen wegen Reformunwilligkeit die Troika ins Haus schicken.“

Massive Kritik am Wahlprogramm der Grünen

Besonders das Wahlprogramm der Grünen überbiete sich in Forderungen an die Industrie, die mit dem echten Leben nichts zu tun hätten. Grüne Politik wolle die Innovationskraft der Betriebe in den ökologischen Umbau lenken. Tatsächlich handele es sich um Steuererhöhungen, steigende Energiepreise und Beschränkungen am Arbeitsmarkt. „Auch wir Unternehmer wollen eine bessere Gesellschaft“, sagte Dulger. „Aber nicht, indem man uns erst abkassiert und dann den Knüppel über den Kopf zieht.“

Südwestmetall-Chef Stefan Wolf verwies auf den Tarifabschluss, der als „Pilot“ in München ausgehandelt wurde. „Die Achse Bayern–Baden-Württemberg wird Modell für zukünftige Abschlüsse sein“, kündigte er an. Mit der IG Metall habe er eine gute Basis gefunden – auch wenn seine Art, Dinge offen anzusprechen und an lieb gewonnenen Besitzständen zu rühren, „erst einmal verstanden werden muss“.

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Auch rechtfertigte Wolf die umstrittenen Werkverträge und den Einsatz von Fremdfirmen in den Betrieben, denn die Nettorenditen in der Metallindustrie lägen seit vielen Jahren im Schnitt bei rund drei Prozent und im Fahrzeugbau bei zwei Prozent. Der Grund: vor allem einfache und produktionsferne Tätigkeiten seien zu teuer geworden, so dass „nicht mehr alle Schritte der Wertschöpfungskette im teuren Metalltarif dargestellt werden können“. Würden die Betriebe alles selbst machen, wären die Gewinne weg, urteilte er.

Die Mitgliederversammlung findet jedes Jahr bei einem anderen Vorzeigeunternehmen statt – diesmal bei Heidelberger Druck. Vor fast 500 Gästen verteidigte Landeswirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) die Absicht von Rot-Grün, im Fall der Regierungsübernahme die Staatseinnahmen über höhere Steuern zu verbessern. Er versprach aber, dass nicht an der Erbschaftssteuer „herumgebastelt“ werde. Zudem solle bei einer Wiedereinführung der Vermögensteuer das Betriebsvermögen verschont bleiben, bekräftigte er. „Darauf können Sie sich verlassen.“

Kurz danach riet Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), „eine Debatte über Steuererhöhungen erst gar nicht anzufangen“. Im Gespräch mit dem Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Joachim Dorfs, wollte er sich nicht festlegen, wie teuer die von der Kanzlerin jüngst gemachten Wahlversprechen werden könnten. Übernächste Woche würden die Wahlprogramme der Union vorgestellt – er schaue da mit wachem Auge drauf. Es sei „völlig klar“, so Schäuble, „dass die Linie unserer Finanzpolitik fortgesetzt wird“. Es werde „auch so“ – also ohne Vergrößerung des Haushaltsdefizits – gehen.

Kritik übte er an der Geldpolitik der EZB und den niedrigen Zinsen, die mehr Nachteil als Vorteil seien – allerdings auch den Folgen der amerikanischen Geldpolitik geschuldet. „Langfristig ist das nicht der richtige Weg“, befand der Finanzminister. Die Notenbanken müssten nun für ein „erträgliches Zinsniveau“ sorgen.