Die Idee ist auf einer Mottoparty entstanden, heute verdient der Stuttgarter als Spiderman sein Geld. Als Superheld verkleidet, zieht er durch die Stadt und lässt sich fotografieren. Doch hinter der Maske steckt eine traurige Geschichte.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Stuttgart - Am Anfang sind sie noch schüchtern, haben Angst, senken den Blick – doch wagt einer den ersten Schritt, entsteht eine Kettenreaktion. Die Kinder, die „Spiderman“ am Stuttgarter Schlossplatz treffen, können von dem Superhelden nicht genug bekommen. Alle wollen ein Bild, alle wollen sich den Superhelden ganz genau anschauen. Im Kostüm steckt ein 30 Jahre alter Stuttgarter, der als Spiderman seinen Lebensunterhalt verdient.

 

„Angefangen hat eigentlich alles, als eine Freundin eine Party mit dem Motto ‚Helden deiner Kindheit’ feierte“, erzählt der Kostümträger, der seinen Namen nicht preis geben will. Damals habe er noch in Oberkochen bei Aalen gelebt und sei einen Tag vor der eigentlichen Party nach Stuttgart gekommen. „Das war am Freitag. Ich habe meinen Freunden mein Spiderman-Kostüm gezeigt und es dann zum Feiern einfach angelassen.“ Die Reaktionen seien damals dieselben gewesen wie heute: Jeder wollte ein Foto machen, jeder hat dem Mann im Kostüm Aufmerksamkeit geschenkt. „Das war echt eine durchzechte Nacht. Am nächsten Tag haben wir gedacht, wenn jeder für ein Foto einen Euro gezahlt hätte, dann wäre das echt ein guter Abend gewesen“, erzählt er.

Zu viel Arbeit ist für ihn „nicht mehr zeitgemäß“

Ein Jahr später, im Juni 2015, hat er seine Idee dann in die Tat umgesetzt. „Ich habe mein Studium geschmissen und deshalb meinen Werkstudentenjob verloren“, erzählt er. Weil er Geld brauchte, hat er sich als Spiderman versucht. Für ein Foto verlangte er Geld, jeder gab, was er wollte. Inzwischen hat sich die Superheldenidee von einer Notlösung zu einem Lebensmotto entwickelt. Der junge Mann, hat zwei weitere Studiengänge abgebrochen, für den letzten Versuch war er nach Stuttgart gezogen. Jetzt ist er hauptberuflich Superheld. „Ich habe studiert, weil das halt einfach von einem erwartet wird“, sagt er. Er habe aber gemerkt, dass es ihm in dieser Zeit schlecht ging. „Das ging so weit, dass bei mir eine manische Depression diagnostiziert wurde“, erzählt er.

Er ist der Meinung, dass die Menschen viel zu viel arbeiten müssen. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Während seines Studiums habe er das Gefühl gehabt, sich nicht frei entfalten zu können und einfach nur mit dem Strom der Masse zu schwimmen. „Seit ich die Sache mit dem Studium abgehakt habe, geht es mir so gut wie nie“, sagt er. Das Geld, das er als Superheld verdiene, reiche zum Leben, mehr brauche er nicht. Im Sommer ist er als Spiderman unterwegs, im Winter wirft er sich in sein Batmankostüm.

Zweimal hat er 50 Euro bekommen

Einen festen Preis verlangt er nach wie vor nicht, weil ihm dann der eine oder andere Schein durch die Lappen gehen würde: „Manche geben sogar fünf oder zehn Euro. Zweimal habe ich auch schon 50 Euro bekommen“, erzählt er. Dafür habe er ein Gewerbe angemeldet. Samstagnachmittags ist Spiderman auf dem Schlossplatz unterwegs, abends stürzt er sich ins Stuttgarter Nachtleben.

Zwar will der Stuttgarter seinen Namen nicht verraten, seine Maske nimmt der Superheld aber hin und wieder ab. „Vor allem als Spiderman bin ich da lockerer geworden“, sagt er. Wer den jungen Mann unmaskiert treffen will, hat im Deli oder im Café Weiß gute Chancen. „Das sind meine vertrauten Locations“, sagt er. An beiden Orten ist Spiderman ein gern gesehener Gast. Laut Nicolin Wehling, Inhaberin des Deli, hat der Mann im Kostüm schon viele Stammgäste kennengelernt. Keiner fühle sich von seinem Auftreten gestört. Auch Harry Lisson, Inhaber des Café Weiß, bestätigt: „Den Leuten gefällt es.“

Sehen Sie im Video eine Tour mit Batman durch Stuttgart: